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Rezension: Elyssa-Königin von Karthago- Irene Vallejo-Diogenes


Die Philologin Irene Vallejo ist als Autorin des Bestsellers "Papyrus" bekannt geworden. In Spanien wurde sie mit diesem Sachbuch mit den wichtigsten Literaturpreisen ausgezeichnet. Das Werk "Papyrus" wurde in 37 Sprachen übersetzt. Jetzt erzählt die Kennerin der Antike in ihrem Roman "Elyssa" die "Aeneis" von Vergil aus weiblicher Sicht. 

Dies  vorab: Vergleiche anzustellen, liegt mir fern, da ich Vergils Publikation in ihrer Gesamtheit nur aus Buchzusammenfassungen kenne. 

Aeneas, der Gründungsvater Roms,  ist der Sohn des trojanischen Königs Anchises und der Göttin Aphrodite. Der mutige trojanische Kämpfer entkommt aus dem brennenden Troja mit seinem kleinen Sohn Iulus und Gefolgsleuten, verliert zu Beginn der Flucht seine Frau Kreusa und leidet an Schuldgefühlen.

Beschützt von den Göttern, muss er sein Schicksal erfüllen. Dieses besteht darin, eine neue Stadt zu errichten, die zur Blüte gelangen soll. Bei dieser Stadt handelt es sich wie schon erwähnt um Rom, was er zu diesem Zeitpunkt nicht weiß. 

Auf seinen Irrfahrten erleidet der Königssohn Schiffbruch vor der neu gegründeten afrikanischen Stadt Karthago und wird von der dortigen Königin Elyssa gerettet, entgegen den Wünschen ihrer argwöhnischen Untertanen, die die Schiffbrüchigen töten wollen, weil sie Feinde in ihnen sehen. Für sie sind Schiffbrüchige nicht sakrosankt.

Elyssa erkennt in Aeneas allerdings einen königlichen Leidensgenossen, weil auch sie einst als Königstochter aus ihrer Heimat fliehen musste und erst in der Folge- in einem Kraftakt- Karthago erbaute. 

Die Karthager sind ein kriegerisches Volk, das wird im Buch sehr gut aufgezeigt. Aeneas hat durch seine schrecklichen Kriegserfahrungen anderes im Sinn als Menschen niederzumetzeln. Er weiß, dass durch Kriege keine blühenden Städte entstehen können. Dazu benötigt man eine friedliche Haltung.

Im Buch kommen abwechselnd Aeneas und seine Sicht der Dinge, Elyssa, ihre Halbschwester Anna, eine Hellsichtige, der Dichter Vergil und der Gott Eros und deren Sichtweise zur Sprache. Dieser Wechsel an Perspektiven finde ich überaus spannend.

Aeneas und Elyssa werden vorübergehend zum Liebespaar, doch das Schicksal befördert durch Neid, Missgunst und Niedertracht seitens von Gefolgsleuten der Königin trennen die beiden Liebenden und führen letztlich zum Selbstmord Elyssas. Auch Aeneas stirbt als Opfer von Schwerter und Zwietracht nachdem er die Ufer des Tiber erreichte, "doch einige Zeit später erblühte nicht weit von dem Grabmal auf den sieben Hügeln von Latinum eine Zivilisation, an die man sich ob der grandiosen Architektur ihrer Gesetze erinnert, eine Zivilisation, die den gesamten Mittelmeerraum unter ihrer Herrschaft vereint und Brücken und Straßen erbaut hat, um die von ihr niedergezwungene Völker zu verbinden." (315) Ihren Bewohner, so liest man zu Ende des Romans,  galt Aeneas als "der Vater von Roms". 

Die sehr dicht geschriebene, beklemmende Geschichte von Liebe und Tod beinhaltet eine Stelle in einem Kapitel, die der Sichtweise von Eros gewidmet ist. Hier liest man: "Die Menschen lieben einander auf unvorhergesehene Weise… Warum führen die Hindernisse dazu, sich auf ein Ziel zu versteifen, während sie andere dazu bringen aufzugeben? Warum entsteht Liebe zwischen zwei Sterblichen nie mit gleicher Intensität? Warum spürt der eine seine tiefe Sehnsucht so klar, während der andere Schwäche zeigt, sein Herz mutlos wird und strauchelt? Merkwürdiges Paradox der Vergänglichen: Liebe ist eine verbreitete Erfahrung, aber nur selten im gleichen Maß, die Waage ruht nie im Gleichgewicht.“ (279) 

Darüber nachzudenken, scheint mir lohnenswert. Verhält es sich stets in dieser Weise wie Eros annimmt? Fast scheint es so, wie viele berühmte, historische Beispiele zeigen.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Von nahen Dingen und Menschen-Hanns-Josef Ortheil-Dumont


Hanns-Josef Ortheil, der Autor dieses Buches, ist Schriftsteller, Pianist und Professor für Literarisches Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. 

Sein jüngstes Werk enthält eine Vielzahl kleiner Prosatexte, deren Inhalt das Zeitgeschehen der letzten fünf Jahre berührt. Ein Tagebuch ist es nicht, obschon die Inhalte auch Privates streifen und viel von Ortheils Art und Weise den Alltag zu bewältigen -selbst in Krisenzeiten- offenbaren. 

Man lernt den Autor als Musikkenner und –liebhaber kennen, der diesbezüglich auch ein Buch empfiehlt, gemeint das Nachschlagwerk "Musik" von Roger Willemsen im Rahmen des Textes „Begegnung mit Roger Willemsen". In diesem Text geht Ortheil in seinen Erinnerungen zunächst zurück in das Jahr 1987, wo er Roger Willemsen erstmals begegnete und wandert in wenigen Sätzen hin, zu weiteren zufälligen Begegnungen mit seinem ihm geistig offenbar sehr verwandten Kollegen. Der Text, eine Verbeugung vor dem viel zu früh verstorbenen Intellektuellen, die spürbar von Herzen kommt...

Hanns-Josef Ortheil scheint ein Einzelgänger mit vielen Freunden zu sein. Ist so etwas möglich? Ja!  Und es muss kein Widerspruch sein. Das beweist er in seinen Texten.

Ob seine Liebe für gute Speisen und Getränke ihn zum Waldspaziergänger gemacht haben, kann man nur vermuten. Als Einzelgänger ist er dort "einfach nur unterwegs" und am liebsten wäre er -  wie in den alten stillen Tagen - allein. Das aber kann er in Zeiten der "Waldbadenden" und Jogger vergessen. Doch Ortheils Interessen sind so vielfältig, dass er immer wieder Momente der Selbstversunkenheit erleben kann, eben nicht nur im Wald. 

So liest man irgendwann die Sätze des Pianisten Ortheil wie etwa "Klavierüben ist kein ödes Pflichtprogramm für Menschen, die sich eine fade Disziplinierung antun wollen. Im Gegenteil: Als Übender und Spielender berührt man ein Instrument, und diese Berührung ist ein extrem libidinöser Vorgang. Spielt man mit Freude, ist immer auch Liebe im Spiel. Man spielt mit dem Instrument, man spielt für andere, man spielt mit dem Universum." Soweit Ortheils Anteilnahme an allem in stillen Stunden am Klavier.

Der Autor lebt und erlebt die Coronazeit, die Veränderung seiner Freunde in dieser Zeit und natürlich die Gespräche, die ums Impfen kreisen. Seine Freunde übrigens empfinden das Leben in den Twitter- oder Instagram-Rhythmen der sozialen Medien inzwischen nicht mehr als lebenswert, da Themen und Kommentare für wenige, flüchtige Momente eine Scheinbedeutung erhielten, die sich lautstark darstellen müssten, weil sie am nächsten Tag wieder verpufft seien. Wen wundert es, dass  Hanns-Josef Ortheil sich in diesem Metier nicht erkennbar bewegt? Von Freunden gut beraten...

Und immer wieder ist Köln ein Thema, dann u.a. auch Frankfurt und hier beschenkt er die Leser mit einer Anekdote, in der der Philosoph  Adorno eine Rolle spielt. Adorno, schon lange tot, doch seine Bücher begeistern noch immer, vielleicht heutzutage nicht mehr alle jungen, intellektuell aufgeschlossenen Menschen... Diese aber finden gewiss an der Aneinanderreihung von Emojis Freude, sofern sie wie Ortheil anmerkt, eine kleine Geschichte des Empfindens, sogar im Diminuendo erzählen. 

Kaum ist man relaxt durch den einen oder anderen Prosatext des Autors, weil man sich dabei wie auf einem kurzweiligen Spaziergang fühlte, wird man aus den Träumereien gerissen durch Texte wie "Putins Krieg" und "Lagerbildungen seit Kriegsbeginn". Der Krieg ist (eben) immer allgegenwärtig und legt sich mit seinen Nachrichten und Bildern wie ein nicht fassbares Zweitleben auf den gegenwärtigen Alltag“(S.206) Dem kann man nicht widersprechen. 

Nachdenklich stimmen die "Vierzehn Kapitel über Gott" (es sind eigentlich nur Tweets von der Länge her) nachdenklich speziell in Zeiten der Kriege, gemeint in der Ukraine und in Israel. Was tun in diesen Tagen?

Ich empfehle: Ortheils "Von nahen Dingen und Menschen"  zu  lesen und sich zu Herzen nehmen, was der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels Salman Rushdie eindringlich in Frankfurt sagte und womit Josef Ortheil seinen letzten Prosatext enden lässt: "Auf Hass mit Liebe antworten und nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich Wahrheit selbst in einer Zeit der Lügen durchsetzen kann."

Maximal empfehlenswert

Helga  König

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Rezension: Comandante- Edoardo de Angelis/Sandro Veronesi- Zsolnay


Auf dem Cover des vorliegenden Buches, auf dem das Meer zu sehen ist, entdeckt man weit unten, gewissermaßen auf dem angedeuteten Meeresgrund, den Beginn eines Zitats, das da lautet "Man muss diesen Roman lesen…". Die Begründung des Verfassers, es ist der italienische Schriftsteller und Journalist Roberto Saviono, erfährt man leider nicht. Grund genug, sich selbst kundig zu machen. 

Die Autoren des Romans sind der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Edoardo de Angelis und der Schriftsteller Sandro Veronesi, der auch die Einleitung zum Roman geschrieben hat. Die Motivation der beiden zu diesem Buch, lernt der Leser in besagter Einleitung kennen. Es sind die Geschehnisse des Sommers 2018 als eine Vielzahl von afrikanischen Migranten aus den lybischen Lagern übers Meer flohen und zum Teil in Schlauchbooten havarierten, die Flüchtigen also zu Schiffbrüchigen wurden, die seitens nichtitalienischer Rettungsschiffe, die in den Gewässern kreuzten, gerettet wurden, man allerdings die Geretteten in den italienische Häfen nicht aufnehmen wollte, mit der Begründung, die Rettungsschiffe würden mit lybischen Bootsführern zusammenarbeiten. Nicht wenige wollten die Schiffbrüchigen niederträchtiger Weise "absaufen" lassen. Offenbar hatte man vergessen, dass Schiffbrüchige von alters her sakrosankt sind. Mitmenschlichkeit? Fehlanzeige.  

Im vorliegenden Roman erzählen die Autoren eine Geschichte, die sich im Zweiten Weltkrieg auf dem italienischen U-Boot "Cappellini" in der Nähe von Madeira abspielt. Man lernt den U-Boot- Kommandanten Salvatore Todaro kennen, ein Mann mit gebrochenem Rückgrat, dessen Körper durch ein Metallkorsett stabil gehalten wird und der durch Morphium seine Schmerzen erträglicher macht. Dieser Mann ist ein echter Krieger nach Art der alten Römer, der solange  kämpft, bis er siegt und keine Gnade mit dem Gegner hat, wenn es darum geht, Schiffe zu versenken. Sein Job ist es eben, Schiffe zu versenken und genau in diesem Job geht er trotz seiner schweren Verletzung auf, etwa wie ein Dichter beispielsweise im Schreiben von Liebesgedichten. Ihm vertraut seine Mannschaft, weil sie weiß, dass er das Leben seiner Besatzung keinen Moment vergisst, deshalb auch viel von ihnen abfordert, denn das U-Boot-fahren in Kriegszeiten, bedeutet den Tod mit an Bord zu haben. Ein Held zu sein oder zu werden, ist Programm. Dieses Programm wird nicht in Frage gestellt.

Als Leser*in erlebt man den Alltag und die Gefahren auf dem U-Boot,  erlebt hautnah den Kampf mit gegnerischen Schiffen, schließlich den Untergang eines belgischen Handelsschiffes, das von der "Cappelini" beschossen wurde und das dortige Flammenmeer, dem sich die Besatzung durch einen Sprung ins eiskalte Meer zu retten sucht. 

Der Comandante der "Cappelini" entscheidet sich, die Schiffbrüchigen zu retten, selbst auf die Gefahr hin, dass er vors Kriegsgericht gestellt wird, weil für ihn Schiffsbrüchige unantastbar sind und gerettet werden müssen, auch selbst auf die Gefahr hin, dass durch die Mehrbelastung und die Gefahren durch gegnerische Schiffe, sein U-Boot für immer auf dem Meeresgrund landet. 

Todaro ist so sehr von seiner Mission überzeugt, dass er Funkkontakt mit einem britischen Schiff aufnimmt und um freies Geleit bittet, damit er die 26 belgischen Seeleute an Land bringen kann. Der britische Kapitän akzeptiert die Bitte, vielleicht berührt von der an Verrücktheit grenzenden Mitmenschlichkeit des Comandante inmitten all der Unmenschlichkeit, die jeder Krieg mit sich bringt.

Mich erinnert die Mitmenschlichkeit Todaros an  den  legendären Weihnachtsfrieden von 1914 und daran, dass Mitmenschlichkeit immer möglich ist, wenn man nur genügend Mut aufbringt, sie an erste Stelle zu setzen. Einige Szenen im Buch erinnern an Ernst Jüngers "Stahlgewitter", ohne allerdings in irgendeiner Weise Krieg zu verherrlichen. Gezeichnet wird präzise, was geschieht, wenn Mars Geist und Psyche von Menschen beherrscht.
 
Ein beeindruckender Roman. 

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Als der Sturm kam- Anja Marschall- Roman -Piper



Die Autorin dieses packend geschriebenen Romans ist Anja Marschall. Vor ihrer schriftstellerischen Karriere hat sie u.a. als Journalistin und Pressereferentin gearbeitet. Bei Piper ist zuletzt ihre Erfolgsserie "Töchter der Speicherstadt" erschienen. Laut Vorankündigung des Verlags sollen es in diesem Jahr noch einige andere bewegende Romane von ihr auf den Markt kommen. Soviel schon jetzt: Man darf sich freuen. 

Vor einigen Jahren habe ich den Roman "Sturmflut" von Margriet di Moor auf “Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiert. Diese auf realen Geschehnissen beruhende Romanhandlung spielt in den Niederlanden im Jahre 1953. Die damalige Sturm-Katastrophe forderte  übrigens 1835 Tote. 

1962 nun erlebten die Hamburger eine ähnliche Katastrophe als aufgrund einer Sturmflut, - übrigens ebenfalls im Februar-, sich das Leben dort als furchterregende Höllenfahrt erwies. 

Anja Marschall arbeitet in ihrem Buch mit fiktiven, aber auch  mit zum Zeitpunkt der Katastrophe real existierenden Personen, so wie man das aus Büchern des Weltbestsellerautoren James A. Michener kennt. Eine gute Vorgehensweise.

Indem die Autorin fiktive Gestalten in die Erzählung einbaut, erweckt sie durch die dargestellten persönlichen Schicksale das, was damals in Hamburg geschah, erneut zum Leben, ohne ein Zuviel an Theatralik erkennen zu lassen.  Das macht sich wirklich  überzeugend.

Was geschah damals konkret? Unerwartet brachen unzählige Deiche. Die Flut überschwemmte die Straßen rasend schnell und  drang in die Häuser vieler Bewohner der Stadt ein. 1/6  Hamburgs war überflutet. Das hatte furchtbare Folgen, wie man sich-ohne große Fantasie besitzen zu müssen-  vorstellen kann.

Die Autorin lässt erkennen, dass nicht wenige ihrer Protagonisten noch traumatisiert waren von den Ereignissen des 2. Weltkriegs, speziell von der Flucht aus dem Osten oder von der schlimmen Bombennacht 1943 in Hamburg.  Ihre konkreten  Probleme werden dadurch nicht einfacher.

Nicht alle können sich auf die Dächer ihrer Häuser retten und nicht alle von dort gerettet werden. Der Tod ist der Begleiter der Flut.

Man wird mit spannenden Familienschicksalen vertraut gemacht, lernt sehr mutige Helfer kennen, die übrigens hervorragend charakterisiert werden, ohne dass man sie heroisch überzeichnet. 

Die Rolle von Helmut Schmidt, dem späteren Bundekanzler und damals noch verhältnismäßige jungen Polizeisenator wird sehr gut in die Romanhandlung verwoben, ohne ihn zum eigentlichen Helden des Romans zu machen. Gezeigt wird, dass Helmut Schmidt die Hilfsaktion damals hervorragend koordinierte.  Lobenswert sachlich dargestellt von A. Marschall.

Wie geht man mit Katastrophen wie der hier vielschichtig beleuchteten um? Diese Frage muss man sich stellen.

Bedingungsloses Helfen ist angesagt, aber auch rasches Reagieren und kluges Koordinieren der Hilfsaktion. Wäre dies in heutiger Zeit so möglich? Die Ereignisse an der Ahr sagen NEIN.

Vielleicht noch dies: Im Anschluss an den Roman wird man mit Fakten, Fiktion und Hintergründen, den tatsächlichen Personen und der Chronologie der damaligen Geschehnisse vertraut gemacht.  Auch das ist wichtig, um den Roman in seiner Tiefe zu begreifen

Ein wirklich gelungener Roman. 

Maximal empfehlenswert.

 Helga König

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Rezension: Das späte Leben- Bernhard Schlink- Diogenes

Der von mir sehr geschätzte Autor des vorliegenden Romans ist der Jurist Bernhard Schlink, der weltweit bekannt wurde durch seinen Roman "Der Vorleser" Diesen Weltbestseller und weitere Bücher des Schriftstellers habe ich auf "Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiert.

Martin, der Protagonist des neuen Romans, war vor seiner Pensionierung Hochschullehrer. Zu Beginn der Romanhandlung ist er 77 Jahre alt und Vater eines sechsjährigen Sohnes. Seine Frau, einige Jahrzehnte jünger als er, hat er an der Uni kennengelernt. Sie war keine Studentin von ihm, aber einer Freundin einer seiner Studentinnen. Machtmissbrauch also ist hier kein Thema.

Trotz des Altersunterschiedes entwickelt sich eine enge Liebesbeziehung zwischen ihm und Ulla, die als Künstlerin viel Freiraum benötigt, um kreativ zu bleiben und die sich diesen auch selbstbewusst schafft. 

Martin, der Vielleser, hat mit Ulla eine Frau an seiner Seite, deren Metier nicht Worte, sondern das schöpferische Tun als Malerin ist. Worin bestehen ihre Gemeinsamkeiten? Sind Gemeinsamkeiten in einer Liebesbeziehung zwingend notwendig?

Bei einer Routineuntersuchung stellt Martins Arzt fest, dass der 77 jährige Bauchspeichelkrebs hat und nur noch wenige Monate leben wird. Martin überlegt wie er mit dieser Hiobsbotschaft umgehen soll und entscheidet sich Ulla und seinen Sohn David nicht zu verschweigen, dass er nicht mehr lange leben wird. 

Die Leser lernen den Krankheitsprozess von Martin im Laufe des Romans kennen, zunächst seine Müdigkeitssymptome, die ihn immer wieder Schach matt setzen. Für den nicht lebensmüden Mann sind die Symptome nicht einfach in sein agiles Leben zu integrieren.

Bernhard Schlink schreibt berührend wie der kleine David sich mit dem baldigen Tod des alten Vaters auseinandersetzt und auch wie die junge Ehefrau mit diesem baldigen Ableben umgeht, vor allem, dass sie zunächst aufgrund ihrer jungen Jahre vielleicht nicht wirklich versteht. Noch geht sie ins Atelier, noch hat sich an ihrem Alltag wenig geändert. 

Martin überlegt, was er seinem Sohn über den Tod hinaus mitgeben kann und schreibt einen fast schon philosophischen Brief, von dem er hofft, dass Daniel ihn später lesen und die Gedanken seines Vaters verstehen wird. So schreibt er u.a. anderem über Gott, die Liebe und die Gerechtigkeit und über die Balance im Leben. Er schreibt auch über den Tod und resümiert, dass dieser nicht gerecht sei. Dies stellt er, ohne anzuklagen fest. 

Neben diesen Reflexionen unternimmt er viel mit seinem kleinen Sohn, während Ulla geschäftig ihren Dingen nachgeht. Der Zufall will es, dass Martin entdeckt, dass seine Frau offenbar einen jungen Geliebten hat. Er recherchiert und seine Vermutungen verdichten sich... 

Martin geht sehr sachlich mit den Gegebenheiten um, macht Ulla keine Vorwürfe, sondern besucht stattdessen diesen Mann, um mit ihm zu reden. Er ist besorgt um seinen Sohn und seine Frau und möchte sie nach seinem Ableben in guten Händen wissen…..Ihn treibt weder Wut noch Rache um, sondern die Liebe, die letztlich alles vergibt. Vielleicht ist diese Form des Liebens nur abgeklärten Menschen vorbehalten. Martin ist abgeklärt.

Diese und eine weitere Recherche im Hinblick auf Ullas Vater beschäftigen den todkranken Mann so sehr, dass er fast seine Krankheit vergisst und nur durch immer heftigere Schmerzen daran erinnert wird. Er begreift sich als Behüter in dieser letzten Lebensphase, was ihn nicht schwach erscheinen lässt. 

Was an diesem Buch fasziniert, ist die Art, wie der Protagonist sich zurücknimmt und stattdessen den Fokus auf seine Lieben legt, deren Wohlergehen ihm auch nach seinem Ableben am Herzen liegt. Martin ist frei von Larmoyanz. Ein Mann, der Herausforderungen annimmt und mit ihnen sehr erwachsen und reif umzugehen vermag...

Ob diese eine Altersfrage ist, weiß ich nicht, gewiss aber eine Frage der Nachdenklichkeit im Hinblick auf das eigene Ego.

Ein sehr packender Roman. 

Maximal empfehlenswert,

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Rezension: Lost & Found- Vom Verlieren und Finden der Liebe- Kathryn Schulz- S. Fischer




Kathryn Schulz, die Autorin dieses Buches ist Trägerin des National Magazine Award und wurde 2016 mit dem Pulitzer –Preis ausgezeichnet. Verheiratet ist sie mit der Autorin Casey Cep. Mit ihr lebt sie an der Ostküste von Maryland. 

Der vorliegende Text- ich begreife ihn als Essay, auch wenn er 300 Seiten umfasst-, ist eine Liebeserklärung an ihren verstorbenen Vater und an ihre Frau zugleich.

Im ersten Teil des Buches schreibt sie über "das Verlieren" einen geradezu philosophischen Text von großer Wortgewalt. Sie reflektiert, während sie vom Tod ihres Vaters schreibt und sein Leben den Lesern nahebringt, den Begriff "Verlust". Dabei benennt sie "das gierige Wesen" des Verlusts, von dem sie weiß, dass er unterschiedslos das Triviale und Folgerichtige, das Abstrakte und Konkrete, das lediglich Verlegte und endgültig Verschwundene umfasst. 

Wie sie an anderer Stelle weiterschreibt, empfehle es sich bei alltäglichen Verlusten, Ausgeglichenheit zu kultivieren, um eines Tages in der Lage zu sein, eine ähnliche Gelassenheit aufzubringen, wenn wir etwas Wichtigeres verlören. Ganze spirituelle Traditionen beruhten auf der Idee, sich an nichts zu binden, aus der Überzeugung heraus, dass wir lernen könnten, selbst unseren schwersten Verlusten mit Akzeptanz, Ausgeglichenheit und Anstand zu begegnen. 

Kathryn Schulz schreibt auch über das allgemein schräge, ja absurde Verhalten, das man an den Tag legt, wenn man etwas verlegt hat und es trotz langem Suchen nicht wiederfindet und begründet auch, weshalb das so ist. Etwas zu verlieren, sei etwas zutiefst Demütigendes, dass uns zwinge, unsere eigenen Grenzen anzuerkennen. Verlust könne auch Verheerung bedeuten, die auf unterschiedliche Art ganze Gemeinschaften, ja sogar große Teile der Welt treffen kann und im Vergleich alles andere unbedeutend erscheinen lassen. 

Die vielen Verluste, die mit Krankheit und Alter einhergingen, so mutmaßt die Autorin, letztlich auch am Beispiel ihres Vaters, würden uns unter Umständen helfen, mit dem letzten Verlust Frieden zu schließen. 

Immer wieder umkreist sie mit dem Verlustdenken, den Tod ihres geliebten Vaters und verarbeitet dabei diesen schweren Verlust des von ihr geliebten Menschen. Sie schreibt von ihrer Verwirrtheit, Ängstlichkeit und anderen Seelenzuständen, die sie nach dessen Tod durchlebte, zudem wie sie eine Zeitlang vieles mied, so etwa Bücher und Freude aber auch die Realität in ihrer Gesamtheit. 

Sie fühlte sich im Verlust- so als wäre der Verlust ein Ort innerhalb der physischen Welt, ein Ort an dem die Kompassnadel durchdreht. 

Kathryn Schulz denkt des Weiteren über das Trauern und die Traurigkeit, Gefühlszustände, die  Folge eines Verlustes sind, nach und ist sich bewusst, dass dann, wenn man nicht zu trauern aufhört, der Mensch, den man liebte, irgendwann nur noch aus Trauer bestehe. 

Einen geliebten Menschen zu verlieren, sei eine Erfahrung, die sich nicht auf einen Schlag verarbeiten lasse. Es gäbe Intervalle des Trauerns, doch irgendwann verändert sich etwas und es begänne die Zeit des Findens. 

Dabei gäbe es zwei Möglichkeiten, etwas zu finden: man sucht oder man hat  Glück. Diese beiden Möglichkeiten schlössen sich gegenseitig nicht aus. 

Nun reflektiert die Autorin analog zum Verlust das Phänomen des Findens und Wiederfindens und dass beim Wiederfinden es nicht nur intellektuelle, sondern auch emotionale Hinweise sind, die uns dabei helfen. Sie fragt an einer Stelle dann wie wir die Liebe finden sollen. Sie selbst hat sie immer nur durch Zufall gefunden und sie ist sich sicher, dass es sich bei ihrer großen Liebe, die sie C. nennt nicht um ihr Gegenstück handelt, sondern um einen Menschen, der in seiner Ganzheit besticht.

Mit C. endet die Trauer um den Verlust ihres Vaters. Sie überdenkt Platon, auch Dante, der das Verlieben auf den ersten Blick, modern habe wirken lassen. Kathryn Schulz, deren große Liebe eine Frau ist, macht diese Tatsache nicht zum Thema, sondern schreibt von dem geliebten Menschen, den sie gefunden hat. Dabei ist dessen Geschlecht für den Text unerheblich. 

Sie weiß; "Liebe hat, wie Trauer, die Eigenschaft einer Flüssigkeit. Sie fließt überall hin, füllt jedes Gefäß, sättigt alles." Kathryn Schulz beschreibt, wie sich die Liebe zu C. in beider Leben ausbreitet, schreibt über die Verlustängste, aber auch über die fatale Fähigkeit die Liebe zu verletzen oder zu behindern. 

Wie lässt sich die Liebe bewahren? Auch das ist ein Thema und was man tun kann, um dem Entwurf des Universums, der im Verlieren bestehe, zu entkommen. Vielleicht ist es ja die Erkenntnis, die man auf der letzten Seite des fast 300 Seite umfassenden Essay lesen kann: 

"Unser Weg ist zu kurz und wir verbringen ihn am besten damit, Zeugnis abzulegen von allem, was wir sehen: Wir ehren, was wir für wertvoll halten, wir kümmern uns, um das, was unserer Fürsorge bedarf und wir erkennen, dass wir untrennbar mit allem verbunden sind – auch mit dem, was noch nicht da ist, auch mit dem, was bereits vergangen ist. Wir sind hier, um zu wachen, nicht um zu behalten:" 

Ein großartiges Buch, das man nicht mehr aus der Hand nehmen kann, sobald man es zu lesen begonnen hat.

 Maximal empfehlenswert. 

 Helga König 

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Rezension: Rauch und Schall- Charles Lewinsky- Diogenes


Der Autor dieses psychologisch ausgeklügelten, überaus witzigen Romans ist der in Zürich lebende Charles Lewinsky. Der Schriftsteller hat bereits zahlreiche Preise gewonnen, darunter den französischen "Prix du meilleur livre étanger". Sein umfangreiches Werk erscheint in 16 Sprachen. 

Worum geht es in "Rauch und Schall"? Um den in die Jahre gekommenen  Dichterfürsten von Weimar, sprich um Johann Wolfgang von Goethe. Nach seiner Rückreise aus der Schweiz leidet er unter einer Schreibblockade und ist noch nicht einmal in der Lage ein simples Festtagsgedicht zu Ehren seines Herzogs zu Papier zu bringen. Die Zeit drängt und mit ihr wachsen die Ängste zu versagen, ja sogar schlimmstenfalls seine Privilegien zu verlieren. 

Man erlebt Goethe in seinem häuslichen Umfeld, wird mit seinem Dünkel - speziell gegenüber seinem Schwager Christian August Vulpius- konfrontiert, der zwar auch Schriftsteller aber als solcher Vielschreiber ist und sich noch dazu als Lohnschreiber verdingen muss. Goethe verachtet dessen Tun, verachtet auch dessen sozialen Status, dessen Abhängigkeiten, obschon er, wie die Schreibblockade zeigt, trotz seines Bekanntheitsgrades selbst ebenfalls nicht wirklich frei ist. 

Um keinen Ärger mit seinem Herzog zu bekommen, nimmt er das Angebot seines Schwagers an, für ihn - inkognito - das Festtagsgedicht zu schreiben, - macht sich also gemein mit Christian- ohne allerdings seine Überheblichkeit  ihm gegenüber zu minimieren. 

Im Verlauf der der Handlung lernt man  Goethes "Bettschätzchen", sprich die  geschickte Drahtzieherin Christiane näher kennen, die das Leben ihres Mannes  sehr gut managt und ihn - zwar an der langen Leine- zu seinem Vorteil "Hoppchen" machen lässt. Goethe springt letztlich brav über jedes Stöckchen, das sie ihm lächelnd hinhält...

Natürlich wird man auch immer wieder mit dem geschwätzigen Leben bei Hofe konfrontiert, wo jeder fast alles über den anderen weiß, lernt die  Machenschaften am Theater kennen und die Hofintrigen, bei denen Goethe, er ist ja nicht nur Dichter, sondern auch Staatsminister, mitunter subtil die Strippen zieht. 

Das alles stresst den Vielbegabten so sehr, dass er ausgepumpt und von sich stets Höchstleistungen erwartend, meint, nichts mehr wirklich Gutes zu Papier bringen zu können und holt sich  in seiner Verzweiflung Rat bei Christian, der es dank seiner Lebensklugheit versteht, sich und anderen aus so mancher Patsche zu helfen.  

Insofern gibt Christian auch seinem Schwager einen wirklich guten Rat, den jeder, der eine Schreibblockade hat, befolgen sollte. (Ich werde diesen Rat im Rahmen der Rezension  natürlich nicht verraten). 

Was dann folgt ist spannend zu lesen und teilweise wirklich sehr komödiantisch... 

Dass die allseits bekannten Persönlichkeitsdefizite Goethes - Selbstverliebtheit und Dünkel -  in diesem Roman charmant in Szene gesetzt werden, amüsiert gewiss viele Goethefans, die ihn wegen seiner Alterswehwehchen, die im Buch auch zur Sprache kommen, zwar amüsiert, so doch gerne bemitleiden und ihn als Gesamtkunstwerk trotz seiner Macken  gewiss weiterhin lieben werden.

PS: Schon lange nicht mehr einen solch witzigen, brillant geschriebenen Roman gelesen.

Maximal empfehlenswert
Helga König

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Rezension: Sieben Jahre und ewig- Cassandra Negra-Jerry Media Verlag



Cassandra Negra hat erneut einen Liebesroman verfasst. Sein vorrangiger Handlungsort ist diesmal die Insel Rügen. Die Beschreibung dieser Insel und einiger ihrer Bewohner dort, lädt bereits zum Träumen ein, lockt auch geheime Wünsche sowie Sehnsüchte hervor und vielleicht sind genau dies Grundvoraussetzungen, um sich auf einen Liebesroman einzulassen, gerade in einer Realität wie sie uns allen derzeit entgegengebracht wird.

Die Protagonistin von "Sieben Jahre und ewig" ist die 50 jährige, immer noch attraktive, viel beschäftigte Architektin Sophie. Der Leser nimmt Anteil am Tod ihrer Mutter, zu der Sophie ein kompliziertes Verhältnis hatte. Die Ursachen hierfür werden im Buch sehr gut nachvollziehbar entschlüsselt. 

Sophie verordnet sich eine Auszeit, um mit sich und ihrer Vergangenheit ins Reine zu kommen. Diese führt sie nach Lancken, einem kleinen Ort an der mystischen Steilküste der Insel Rügen. 

Die Architektin sehnt sich nach einer Liebesbeziehung, weiß jedoch dass sie diese letztlich stets torpediert und deshalb auch ihrer großen Liebe – Matteo-, er ist ein Psychiater und Paartherapeut, vor 7 Jahren den Laufpass gegeben hat. 

Ausgelöst durch den  Abschiedsbrief, den Matteo ihr einst schrieb und den sie in ihrer Bibliothek rein zufällig wiederentdeckt und zwar in einem der bedeutendsten literarischen Werke des ausgehenden 20. Jahrhunderts, dem Roman "Liebe in den Zeiten der Cholera" des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers García Márquez’, wird sie sich ihrer immer noch bestehenden Gefühle gegenüber Matteo bewusst, beginnt sich nach ihrem Traummann zu sehnen und hofft auf eine zweite Chance. 

In "Sieben Jahre und ewig" spielen Zufälle eine große Rolle, nicht nur in Bezug auf Matteo. Es sind stets die besagten Zufälle, die es ermöglichen, dass sich Dinge so fügen, dass sie den Handlungsverlauf positiv beeinflussen. 

Unerwartet begegnen sich die beiden Liebenden auf der Insel wieder und von da an darf der Leser das Aufflammen alter Liebesbande miterleben und zwar auch in Bezug auf die sexuelle Leidenschaft, die Cassandra Negra als Ausdruck der engen seelischen Verbundenheit der beiden begriffen haben möchte. 

Ob die Liebesgeschichte  mit einem Happy End schließt, wird in meiner Rezension nicht verraten, wohl aber, dass der Roman bis zum Ende nicht dahinplätschert, sondern immer wieder neu Spannung aufbaut. 

Neben der Haupthandlung- die Liebesgeschichte zwischen Sophie und Matteo- gibt es weitere interessante Handlungsstränge, so etwa die tragische Familiengeschichte von Sophie. Der Auslöser der Tragik ist ein Ereignis noch in der DDR, wo ihre Eltern damals lebten und ihr Vater als Grenzpolizist nicht auf zwei Flüchtende schoss, ihnen also das Leben rettete, dafür 3 Jahre inhaftiert wurde und unter schlimmsten Verhältnissen seine Strafe abbüßte. Der damals schwangeren Mutter wurde - unmittelbar nach der Geburt- ihr kleiner Sohn entzogen, den Sophie Jahrzehnte später kennenlernt. Dadurch erst können alte Wunden bei den Geschwistern vernarben... 

Ein weiterer Handlungsstrang führt in die Klinik, in der Matteo arbeitet. Hier erlebt man, an zwei sehr gegensätzlichen Fällen, womit sich der Paartherapeut befasst und weshalb er eine sehr gefestigte Persönlichkeit haben muss, damit die entgegengebrachten Probleme und Abgründe seine Seele nicht verdunkeln. Diese starke Persönlichkeit ist es, die Sophie den nötigen Halt gibt, den sie aufgrund ihrer Vorgeschichte dringend braucht.

Sophie, das vielleicht noch nebenbei bemerkt, kennt immer auch esoterische und spirituelle Momente, die aber nicht im Widerspruch zu ihrem Beruf als Architektin stehen, sondern vielleicht zu ihrem Frausein gehören. 

Gibt es die große Liebe, die die Zeiten überdauert oder ist sie nicht eher eine Wunschvorstellung von RomantikerInnen? Das scheint mir die Kernfrage zu sein, die sich den Lesern zu Ende des Buches stellt. Auch mir übrigens.

Sehr empfehlenswert für alle, die sich hin und wieder gerne in Traumwelten aufhalten, in der Erotik und Sexualität keineswegs ausgeklammert wird. 

Helga König

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Rezension: Mein Lieblingsmensch- Geschichten über besondere Verbindungen- Diogenes


Dieses Taschenbuch enthält 21 Geschichten unterschiedlicher Autoren, die im letzten oder vorletzten Jahrhundert geboren wurden. Auf den letzten Seiten erfährt man, aus welchen Büchern der Autoren die Texte stammen. 

Der Untertitel "Geschichten über besondere Verbindungen" hat mich neugierig auf das Buch werden lassen, das ich bewusst nicht chronologisch las, sondern nach spontanem Interesse.  Besondere Verbindungen zwischen Menschen haben oft etwas Schicksalhaftes.

Die erste Geschichte, in die ich mich vertiefte, stammt aus der Feder von Guy de Maupassant (1850-1893). Ihr Titel lautet. "Zwei Freunde". Hier ereilt zwei Menschen das gleiche Schicksal. Was sich im Laufe der Handlung ereignet, ist alles andere als fair. Doch es ist Krieg und dort herrschen nicht selten die Gesetze der Willkür. Was die beiden Männer verbindet, ist nicht nur das Angeln, sondern weit mehr. Es ist die Fähigkeit, gemeinsam schweigen zu können und auf diese Weise Boten des Friedens zu sein. Solche eine Fähigkeit ist im Krieg unerwünscht, wie das Beispiel zeigt… 

Dann las ich die kleine Geschichte mit dem Titel "Forever" von Laura de Weck. Die Autorin wurde 1981 geboren, der Text 2016 erstmals veröffentlicht. Hier unterhalten sich Vater, Mutter und Tochter Leni über ein Tattoo, das die Tochter sich zum 18. Geburtstag wünscht. Wer Lenis "Lieblingsmensch"  tatsächlich ist, erweist sich zu Ende des Dialogs. 

Was macht einen Lieblingsmenschen im Verhältnis zu allen anderen aus? Ist es die Seelenverwandtschaft oder der gänzlich andere Charakter, der uns fasziniert und neugierig macht?

Interessant auch ist die Geschichte von William Trevor (1928-2016) mit dem Titel "Der Schüler der Klavierlehrerin", psychogisch sehr subtil wie alle Geschichten im Buch. 

Besondere Verbindungen zwischen Menschen  beruhen oft auf schicksalhafte Begegnungen. Was sie verbindet ist ein unsichtbares Band. Ziel? Womöglich voneinander zu lernen.


Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Kleine Kratzer- Jane Campbell-Kjona



Die Autorin dieser 13 Kurzgeschichten ist die 81 jährige Psychoanalytikerin Jane Campbell. 2017 hat sie ihre Story "Katzenbuckel" ungefragt an die renommierte "London Review of Books" geschickt, wurde umgehend veröffentlicht und erhielt begeisterte Zuschriften. Das vorliegende Buch "Kleine Kratzer" ist ihr Debüt. 

Die Protagonistinnen der Kurzgeschichten sind allesamt hochbetagt, jedoch alles andere als alt. In ihnen pulsiert noch Leben in Form von Verrücktheiten, Hoffnungen und Erkundungs-bzw. Entdeckungsdrang.

Psychologisch tiefgründig und nicht selten von hintergründigem Humor räumt Jane Campbell mit herkömmlichen Altersvorstellungen auf. 

Auf den Inhalt der einzelnen Kurzgeschichten einzugehen, würde bedeuten, die Lesefreude zu minimieren. Fragen nach der Lektüre also: Was machen die wirklich kurzen Geschichten mit Ihnen? Lösen sie Angst vor dem Altwerden aus? Oder amüsieren sie Sie eher? Wie entspannt geht man selbst mit dem Altwerden um?

In einer ihrer Geschichten schreibt Campbell "Das Altern wird oft als Phase der Kumulation dargestellt, der Anhäufung von Krankheiten, Beschwerden, Falten, aber in Wirklichkeit ist dies ein Prozess der Enteignung, Freiheit, Respekt Lust, all das, was man früher so selbstverständlich besessen und genossen hat, wird einem nach und nach genommen. Ich konnte Männer früher ziemlich leicht verführen, natürlich erst nachdem ich meinem Mann entkommen war. Es waren verheiratete Männer, deshalb war ich bei ihnen sicher. Wir konnten gemeinsam in Wellen der Lust, des Verlangens und der Sehnsucht ertrinken, gefolgt von kurzen ekstatischen Phasen der Befriedigung und Freude und ungeheurer Dankbarkeit für das schiere Glück unserer Lage...“ (S.45) Doch lesen Sie bitte selbst weiter. Ist Enteignung im Alter ein notwendiges Muss? 

Da ist da noch diese wunderbare Geschichte "Vom Alleinsein" und der Entdeckung einer Innigkeit, die man wohl - ohne sentimentale Anwandlungen - als Liebe bezeichnen muss.

Wer sich Neuem nicht verschließt, wird Neues entdecken bis ins hohe Alter, wird sich Wünsche und Hoffnungen erlauben, wird leben. Dies die schöne Botschaft dieses ungewöhnlichen Buches.  Die 81 Psychoanalytikerin muss es wissen. Wenn sie nicht, wer sonst?

Maximal empfehlenswert. 

Helga König 

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