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Rezension:»Ich hatte tausend Leben und nahm nur eins«: Ein Brevier (Gebundene Ausgabe)

Nootebooms Brevier "Ich hatte tausend Leben und nahm nur eins" beinhaltet bemerkenswerte Gedanken und Gedichte dieses sehr nachdenklichen niederländischen Schriftstellers.

Das mehrseitige Vorwort zum Buch hat Nootebooms langjähriger Freund Rüdiger Safranski geschrieben. Er auch hat die Texte ausgewählt. Das Vorwort endet mit der Bemerkung:

"Diese Auswahl präsentiert Nooteboom als Romantiker mit und ohne Ironie, als philosophierenden Poeten, als politisch wachen Zeitzeugen, als Liebhaber von Orten, als Reisenden und als Schriftsteller, der den Zusammenhang zwischen den wirklichen und den imaginären Reisen nicht nur bedenkt, sondern lebt. Auf Nootebooms Spuren kommt man jedenfalls weit herum."

Cees Notebooms Grundthemen in seinen Büchern und Reisebeschreibungen sind das Erleben der Zeit, der Tod und der Prozess des Schreibens als eine Möglichkeit zum Entwurf gleichsam neben der Realität gültiger Wirklichkeiten.

Bevor ich mich in seine Gedanken zu Bildern, Porträts, Charakteren, auch in seine Frage: "Warum Reisen? " und in weitere Gedanken zu Zeiten, Wegen, historischen Augenblicken, Europäischem, Schreiben, Lesen sowie Lieben vertieft habe, las ich zunächst seine Geistesblitze.

Zu jedem einzelnen Bonmot könnte man einen Besinnungsaufsatz schreiben, doch das würde an dieser Stelle zu weit führen.

Wie viel Dankbarkeit und positive Erfahrung mit der Liebe impliziert der Satz " Wer einmal die Gestalt eines Verliebten angenommen hat, isst und trinkt alles, Teller voll Disteln, Fässer voll Essig "? Wie viel Selbstbeobachtung aber auch gutmütige Akzeptanz gegenüber dem Eigenleben von Gedanken lässt die Sentenz " Die Erinnerung ist wie ein Hund, der sich hinlegt, wo er will " erkennen?

Mit jedem einzelnen Geistesblitz zeigt Nooteboom wie tief er über Fragen des Lebens und anderes mehr reflektiert hat.

Wer in der Lage ist in einem knappen Satz all das zu äußern, wofür nicht wenige viele Seiten benötigen, beweist, dass er kein selbstdarstellerischer Schwätzer ist.

Nooteboom ist im Laufe seines Lebens weise geworden. Seine Weisheit beruht auf harter Arbeit an sich selbst und auf seiner brillanten Beobachtungsgabe. Das wird bei der Lektüre des Büchleins unzweifelhaft deutlich.

Der Niederländer beschreibt mit großem Einfühlungsvermögen Gemälde, Bilder und Filme. Besonders gefallen haben mir seine Gedanken zu einem Gemälde, auf dem die preußische Königin Luise von Preußen verewigt worden ist. Nooteboom sagt an einer Stelle, die mich sehr berührt hat, " Ich kenne keine Frau, die so schauen kann. Sehr verwirrend. Dieser Blick ist ausgestorben ". Vielleicht ist im 20. Jahrhundert der einstige Liebreiz von Frauen auf der Strecke geblieben, weil sich ihre Träume verändert haben, wer weiß... Vielleicht ist die Zeit der Unschuld vorbei, wer weiß....

Der Schriftsteller denkt über alte Fotographien nach und setzt sich u .a. mit Ingmar Bergmanns Film " Wilde Erdbeeren " auseinander, den ich vor kurzem rezensiert habe. Nootebooms subtile Betrachtungen zu dem Film haben mich begeistert.

Im Rahmen seiner Portraits und Charaktere bin ich auf eine gedankliche Miniatur gestoßen, die ich meinen Lesern nicht vorenthalten möchte, weil sie gewiss sehr neugierig auf das Buch macht: " Was machen wir mit den Menschen, denen wir begegnet sind? Sind sie es, die wir manchmal in unsren Träumen sehen? Gesichter, von denen der Name sich abgewetzt hat? Haben sich Spuren von ihnen erhalten?.........Wo bleibt das alles? "

Solche Fragen zu beantworten, fällt nicht leicht. Das setzt voraus, dass man sich mit der eigenen Psyche intensiv auseinandersetzt.

Nootebooms Reisebetrachtungen haben mich beeindruckt, auch seine Erinnerungen an historische Augenblicke.

Wie schade, lieber Herr Nooteboom , dass Sie Weimar in so unangenehmer Erinnerung behalten haben. Reisen Sie abermals nach Thüringen. Sie werden überrascht sein über das Neuerwachen der alten Dichtermetropole.:-)

Ich kannte den Lyriker Nooteboom bislang noch nicht und sehe jetzt, was ich versäumt habe.

"Alles von dir werd ich vergessen, außer dich/....Durch dein Bildnis hindurch seh ich die flehende Sehnsucht,/ aus der wir vertrieben sind./....

Ein wunderbarer Poet und überaus nachdenklicher Schriftsteller.




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