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Rezension:Aussicht auf bleibende Helle: Die Königin und der Philosoph (Gebundene Ausgabe)

Renate Feyls Protagonisten in diesem historisch-philosophischen Roman sind die preußische Königin Sophie Charlotte und der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz.

Die beiden Personen verband eine intellektuelle Beziehung, die von der Autorin als "mariage mystique" stilisiert und vielschichtig thematisiert wird.

Vermählt war Sophie Charlotte mit dem preußischen König Friedrich I, den sie einst als Kurfürst Friedrich III von Brandenburg geheiratet hatte. Dieser Gatte war offensichtlich ein stark auf Prunk und Statussymbole fixierter Mensch, der der Wissenschaft und der Philosophie nur dann etwas abgewinnen konnte, wenn dadurch sein Ansehen bei anderen Herrschern vergrößert wurde. Als Zeitgenosse des Sonnenkönigs Ludwig XIV war er in Vielem ganz Kind seiner Zeit und erfreute sich am liebsten am Jagdvergnügen.

Sophies Sohn war der spätere Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. Schon während seiner Kindheit und Jugend irritierte er seine Mutter durch seine starke Neigung zum Militarismus und zum Geiz. Sophie unternahm aber keinen ernsthaften Versuch, ihren Sohn umerziehen zu lassen, sondern ließ den Dingen scheinbar ihren natürlichen Lauf.

Sowohl Sophies Gatte als ihr Sohn blieben ihr wesensfremd. Feyl läßt ihre Protagonistin resümieren, dass ihre Ehe weder glücklich noch fruchtbar gewesen sei.(vgl. S. 200)

Sophie Charlotte war geistig von anderem Kaliber als ihr königlicher Gemahl.

Die Hofzeremonie und all die Repräsentationsspiele, auch die barockenen Gourmetmartyrien ließ sie notgedrungen über sich ergehen, wie die Autorin breitgefächert und amüsant auszuführen weiß. Aber Sophie hatte darüber hinaus intellektuelle Erwartungen ans Leben. Ihr Tendre war die Philosophie.

Geistige Interessen lagen in ihrer Familie. Ihre hochgebildete Mutter hatte schon früh den Mathematiker und Philosphen Leibniz nach Hannover geholt, wo ihn Sophie kennengelernt hatte.

Gottfried Wilhelm Leibniz, der Begründer höherer Mathemathik hatte u.a. Studien vorgelegt, wie man den Seidenanbau entwickeln könne. Er hatte eine Abhandlung über Steuern und eine Denkschrift zur Aufhebung der Leibeigenschaft verfasst, Reformen für die zentrale Gemeindeverwaltung konzipiert und sogar ein Konzept für die Beleuchtung der Residenzstädte entworfen und sich dabei immer und immer wieder mit Philosophie beschäftigt.

Leibniz traf sich regelmäßig mit Sophie Charlotte in "Lietzenburg" und sprach dort mit ihr in erster Linie über philosophische Themen, wie die Autorin den Leser wissen lässt.

Das "Prinzip des Widerspruchs" und "das Prinzip des Grundes" werden im Roman von den beiden Intellektuellen ebenso erörtert, wie der Gottesbegriff. Beide möchten die Bestrebungen der Vernunft unterstützen und gründen in Berlin die "Societät der Wissenschaften". Kepler, Bruno, Galilei, Bacon, Decartes, Spinoza, Hobbes und Locke sind für sie ein Thema. Aber Sophie denkt auch über den Ursprung und die Macht von Vorurteilen nach. Ihr Ziel ist es bleibende Helle zu schaffen und sie ist überzeugt, dass ihr dies gemeinsam mit Leibniz gelingen wird.

Während ihr Gemahl mit seiner Protokollmaitresse täglich eine Stunde in der Öffentlichkeit spazieren geht, eröffnet Leibniz seiner Königin, dass er dabei sei, eine Theodicee zu schreiben, aus der u.a. hervorgehe, wie man die Übel der Welt überwinden könne. Der Philosoph verspricht Sophie alsbald ein druckfrisches Exemplar zukommen zu lassen......

Ein wunderbarer, gedanklich tiefgehender Roman.
Empfehlenswert!


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Rezension:»Ich hatte tausend Leben und nahm nur eins«: Ein Brevier (Gebundene Ausgabe)

Nootebooms Brevier "Ich hatte tausend Leben und nahm nur eins" beinhaltet bemerkenswerte Gedanken und Gedichte dieses sehr nachdenklichen niederländischen Schriftstellers.

Das mehrseitige Vorwort zum Buch hat Nootebooms langjähriger Freund Rüdiger Safranski geschrieben. Er auch hat die Texte ausgewählt. Das Vorwort endet mit der Bemerkung:

"Diese Auswahl präsentiert Nooteboom als Romantiker mit und ohne Ironie, als philosophierenden Poeten, als politisch wachen Zeitzeugen, als Liebhaber von Orten, als Reisenden und als Schriftsteller, der den Zusammenhang zwischen den wirklichen und den imaginären Reisen nicht nur bedenkt, sondern lebt. Auf Nootebooms Spuren kommt man jedenfalls weit herum."

Cees Notebooms Grundthemen in seinen Büchern und Reisebeschreibungen sind das Erleben der Zeit, der Tod und der Prozess des Schreibens als eine Möglichkeit zum Entwurf gleichsam neben der Realität gültiger Wirklichkeiten.

Bevor ich mich in seine Gedanken zu Bildern, Porträts, Charakteren, auch in seine Frage: "Warum Reisen? " und in weitere Gedanken zu Zeiten, Wegen, historischen Augenblicken, Europäischem, Schreiben, Lesen sowie Lieben vertieft habe, las ich zunächst seine Geistesblitze.

Zu jedem einzelnen Bonmot könnte man einen Besinnungsaufsatz schreiben, doch das würde an dieser Stelle zu weit führen.

Wie viel Dankbarkeit und positive Erfahrung mit der Liebe impliziert der Satz " Wer einmal die Gestalt eines Verliebten angenommen hat, isst und trinkt alles, Teller voll Disteln, Fässer voll Essig "? Wie viel Selbstbeobachtung aber auch gutmütige Akzeptanz gegenüber dem Eigenleben von Gedanken lässt die Sentenz " Die Erinnerung ist wie ein Hund, der sich hinlegt, wo er will " erkennen?

Mit jedem einzelnen Geistesblitz zeigt Nooteboom wie tief er über Fragen des Lebens und anderes mehr reflektiert hat.

Wer in der Lage ist in einem knappen Satz all das zu äußern, wofür nicht wenige viele Seiten benötigen, beweist, dass er kein selbstdarstellerischer Schwätzer ist.

Nooteboom ist im Laufe seines Lebens weise geworden. Seine Weisheit beruht auf harter Arbeit an sich selbst und auf seiner brillanten Beobachtungsgabe. Das wird bei der Lektüre des Büchleins unzweifelhaft deutlich.

Der Niederländer beschreibt mit großem Einfühlungsvermögen Gemälde, Bilder und Filme. Besonders gefallen haben mir seine Gedanken zu einem Gemälde, auf dem die preußische Königin Luise von Preußen verewigt worden ist. Nooteboom sagt an einer Stelle, die mich sehr berührt hat, " Ich kenne keine Frau, die so schauen kann. Sehr verwirrend. Dieser Blick ist ausgestorben ". Vielleicht ist im 20. Jahrhundert der einstige Liebreiz von Frauen auf der Strecke geblieben, weil sich ihre Träume verändert haben, wer weiß... Vielleicht ist die Zeit der Unschuld vorbei, wer weiß....

Der Schriftsteller denkt über alte Fotographien nach und setzt sich u .a. mit Ingmar Bergmanns Film " Wilde Erdbeeren " auseinander, den ich vor kurzem rezensiert habe. Nootebooms subtile Betrachtungen zu dem Film haben mich begeistert.

Im Rahmen seiner Portraits und Charaktere bin ich auf eine gedankliche Miniatur gestoßen, die ich meinen Lesern nicht vorenthalten möchte, weil sie gewiss sehr neugierig auf das Buch macht: " Was machen wir mit den Menschen, denen wir begegnet sind? Sind sie es, die wir manchmal in unsren Träumen sehen? Gesichter, von denen der Name sich abgewetzt hat? Haben sich Spuren von ihnen erhalten?.........Wo bleibt das alles? "

Solche Fragen zu beantworten, fällt nicht leicht. Das setzt voraus, dass man sich mit der eigenen Psyche intensiv auseinandersetzt.

Nootebooms Reisebetrachtungen haben mich beeindruckt, auch seine Erinnerungen an historische Augenblicke.

Wie schade, lieber Herr Nooteboom , dass Sie Weimar in so unangenehmer Erinnerung behalten haben. Reisen Sie abermals nach Thüringen. Sie werden überrascht sein über das Neuerwachen der alten Dichtermetropole.:-)

Ich kannte den Lyriker Nooteboom bislang noch nicht und sehe jetzt, was ich versäumt habe.

"Alles von dir werd ich vergessen, außer dich/....Durch dein Bildnis hindurch seh ich die flehende Sehnsucht,/ aus der wir vertrieben sind./....

Ein wunderbarer Poet und überaus nachdenklicher Schriftsteller.




Rezension:Mouches Volantes: Die Leuchtstruktur des Bewußtseins (Taschenbuch)

Floco, der Ich- Erzähler, berichtet von seinen Erfahrungen, die er im Hinblick auf die Erweiterung seines Bewusstseins gemacht hat. Er lernt im Emmental in der Schweiz einen Mann namens Nestor kennen, der ihn über Jahre mit Methoden vertraut macht, deren Ziel es ist, das eigene Bewusstsein in eine intensivere Richtung zu entwickeln, um auf diese Weise offener und kreativer zu werden.

Zunächst lernt Floco mit seinen Körperenergien sinnvoller umzugehen. Floco ist ein Stadtmensch - er kommt aus Bern - und führt normalerweise ein völlig anderes Leben als Menschen, wie Nestor und seine Bekannten im Emmental. Floco stellt auf Anraten Nestors seine Ernährung um, bewegt sich intensiver und beginnt richtig zu atmen. Durch richtiges Atmen und intensivere Bewegung, wie etwa Tanzen jenseits des vorgegebenen Taktes, werden Energieblockaden aufgelöst. Neue Energie kann aufgebaut und dann wieder abgegeben werden.


Lebensenergie, so lehrt Nestor ihn, soll nicht an materielle Gedanken, Vorstellungen und Gefühle gebunden werden, vielmehr soll sie in das sogenannte Gesamtbild einfließen. Floco lernt die Grundstruktur dieses Gesamtbildes kennen, zweifelt jedoch stets an dem, was er von Nestor erfährt oder selbst sieht. Er nimmt diese Grundstruktur durch "Mouches Volantes", kleine Partikel, die sich durch Konzentrationsübungen in seinen Augen gebildet haben, wahr. Es handelt sich offenbar um Fäden und Kugeln, die als eine Art Leuchtstruktur zu den tieferen Schichten des Bewusstseins führen und begreifen lassen, dass hinter allem, was ist, das reine Licht steht, dessen Leuchtkraft und Glanz man um so intensiver sieht, je mehr man sich von allen Anhaftungen frei gemacht hat.


Der Autor hat die Landschaft des Emmental in ein ganz besonderes Licht getaucht, nicht zuletzt, weil er sie mit viel Liebe beschrieben hat. Darüber hinaus verdeutlicht er dem Leser, dass der Sinn des Seins nur darin bestehen kann, das ewige Licht als das hinter allem stehende zu erkennen und dass die persönliche kleine Welt der materiellen Gedanken, Vorstellungen und Gefühle im Grunde lächerlich sind im Verhältnis zu dem großen, ewigen, lichtdurchfluteten Gesamtbild.


Die Folge dieses spirituellen Erkennens kann im Grunde nur Demut sein!