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Rezension:Der alte Mann und das Meer: Bild Nobelpreis Bibliothek (Gebundene Ausgabe)

Dieses optisch überaus gelungene Buch, das der sogenannten "Nobelpreis- Bibliothek" entnommen ist, habe ich auf der Frankfurter Buchmesse in die Hand gedrückt bekommen. Es wurde an alle Messebesucher, die an dem entsprechenden Stand vorbei schlenderten, kostenlos ausgehändigt.

Über Hemingway und seinen 1952 veröffentlichten Roman "Der alte Mann und das Meer" gibt es nichts mehr zu sagen. Den kleinen Roman habe ich in meinen bisherigen Leben mehrfach gelesen. Er beeindruckt mich noch immer. Wie ich meiner Reclamausgabe entnommen habe, las ich den Text als Zwölfjährige das erste Mal.

Ich werde den Inhalt des Buches nicht zusammenfassen, sondern nur die nüchterne Sprache Hemingways loben. Beispiel: "Es ist ein herrlicher Fisch, und ich muss ihn kleinkriegen, dachte er. Er darf nie erfahren, wie stark er ist oder was er tun könnte, wenn er loszöge. Wenn ich es wäre, würde ich jetzt alles auf eine Karte setzen und losziehen, bis was reißt. Aber gottlob sind sie nicht so klug wie wir, die sie töten, obwohl sie edler und fähiger sind," (Zitat. Seite 61).

Die Zuspitzung auf das Existenzielle macht den eigentlichen Reiz des Romans aus und das wird nicht nur in dem Satz deutlich, wo der alte Mann im Hinblick auf die Haie sagt: "Ich werde sie bekämpfen bis ich tot bin",(Zitat: S. 115).

Man muss wissen, welche Fische man zu fangen gedenkt und man muss seine Kräfte und die Gefahren genau einschätzen können. Das ist nicht einfach. Nur jene, die wirkliche Jäger sind, wissen um diese Dinge und verlieren nicht ihre glückliche Hand bei ihrem Tun. Schwäche wird immer bestraft. Das ist die Botschaft, die durch die Zuspitzung auf das Existentielle, zum Ausdruck gebracht wird. Hemingway ist kein Autor für weichgespülte Leser, aber er spricht durchaus auch Personen an, die keine extremen Stärkeverherrlicher sind. Immerhin.

Das Hardcover-Bändchen in der Farbe Weiß mit goldenen Lettern und einem goldenen Lesebändchen wirkt nebst durchsichtigem Schutzumschlag betont edel. Bestens ist die Kurzbiographie am Anfang und auch die präzise Inhaltsangabe.

Diese Ausgabe des Buches empfehle ich gerne weiter, weil sie meinen bibliophilen Neigungen entgegenkommt.

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Rezension: Egon Friedell- Vom Schaltwerk der Gedanken- Essays

Dieser Essayband des Kosmopoliten jüdischer Herkunft Egon Friedell enthält Essays zu Geschichte, Philosophie, Religion, Theater und Literatur.


Von den mehr als 60 Essays habe ich mit besonderem Interesse Friedells Reflektionen zu "Anna Karenina" gelesen. Der Essayist macht darauf aufmerksam, dass Tolstoi uns in diesem Roman in die Elemente des mikroskopischen Sehens unterweist und dass dies der pädagogische Wert aller großen Kunstwerke sei, (vgl.: S.294). Ich gebe zu, dass ich darüber bislang noch nicht nachgedacht habe, jedoch blitzschnell literarische Kunstwerke vor meinem geistigen Auge diesbezüglich "abscannte" und feststellen musste, dass Friedell Recht hat. Speziell trifft es auf Werke Dostojewskis zu, wie ich meine, aber auch auf jene von Balzac und auf jene von Thomas Mann. Man denke an den "Tod in Venedig".

Die Betrachtungen zu "Das Bild des Dorian Gray" bringen es auf den Punkt. Es ist tatsächlich unbegreiflich, wie man finden konnte, das dieser Roman unmoralisch sei und es stimmt auch, dass ganz gleich ob man ihn als Autobiographie, als Erbauungsschrift, als Parabel und als Aphorismensammlung auffasst, man immer richtig liegt. Doch derjenige, der das Buch als prächtige Scharade begreift, wird wohl am besten erkannt haben, was das Buch wirklich ist, so Friedell und auch das ist wahr.

Beim Lesen des Buches ist mir aufgefallen, dass ich mir zunächst jene Essays vornahm, die sich mit meinen Lieblingen befassten, dazu gehören Voltaire, Wolfgang Amadeus Mozart, Goethe und Schiller, Honore de Balzac, Gustave Flaubert, Jean Rousseau, Ralph Waldo Emerson, die Maler der Renaissance, Shaw, Wilhelm Busch, Lichtenberg und Michel de Montaigne. Alle diese Essays fanden inhaltlich meine volle Zustimmung, jedoch auch die Essays, zu Personen, die ich wohl niemals favorisieren würde, wie beispielsweise Richard Wagner. Auch diesen Essay habe ich mit großem Genuss gelesen und das will etwas heißen. Die Lust an der Intellektualität des Textes von Friedell war größer als meine Abscheu vor Wagner.

Leider ist es inhaltlich unmöglich, auf all die 60 Essays einzugehen. Gefallen haben mir tatsächlich alle und zwar wegen ihrer Weltläufigkeit und hohen, durch nichts eingegrenzten Intellektualität.

Ich möchte an dieser Stelle ein paar Sätze aus dem Essay zitieren, die uns alle nachdenklich stimmen sollten: "Aller Nationalismus und Patriotismus enthält nämlich ein Element der Isolierung, des Hasses und mit Hass kann man weder malen noch denken noch dichten, noch überhaupt etwas schaffen. Künstler können nicht polemisieren, befeinden: Sie sind Verklärer und Rechtfertiger alles Lebens. Sie verstehen ja nur darum von der Welt und ihrem Lauf mehr als andere, weil sie sie lieber haben; sie können nur darum alle menschlichen Empfindungen nachgestalten, weil sie alle als berechtigt anerkennen. Der Hass ist niemals zeugungsfähig, sondern immer nur die Liebe." (Zitat: S. 289).

Dem ist nichts hinzuzufügen, vielleicht nur, dass den wahren Künstlern meine ganze Liebe gilt.

PS: Am Ende des Buches hat man Gelegenheit die wichtigsten Lebensdaten des 1878 geborenen und 1938 verstorbenen Intellektuellen nachzulesen und sich in einem acht Seiten langen Beitrag von Wolfgang Lorenz über Egon Friedell kundig zu machen, der nach dessen Meinung eines vor allem war: ein dramatischer Denker.
Empfehlenswert.

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Rezension:Die Maske (Gebundene Ausgabe)

Dass der mittlerweile 85 jährige Siegfried Lenz ein großartiger Erzähler ist, dokumentiert er erneut in seinen, in diesem Buch vorliegenden fünf Erzählungen.

Der Stil dieses Ostpreußen hält mich nach wie vor gefangen, denn beim Lesen spüre ich noch immer diese eigenwillige Magie, mittels welcher Lenz seine Leser zu bezaubern vermag.

Bereits die erste Erzählung "Rivalen" ließ mich nachdenklich zurück. Was will der Erzähler uns mit auf den Weg geben? Hat er eine Botschaft in diesem Text versteckt?

Es geht um die Gefühlslage eines nicht mehr jungen Museumswärters und um seine Verliebtheit in ein Gemälde, das eine sehr schöne Frau zeigt.

Der in seinem Leben bislang unbescholtene Mann nutzt eine Gelegenheit, das Gemälde in seinen Besitz zu bringen, nicht weil er sich den Wertgegenstand aneignen möchte, sondern weil er den Anblick dieser schönen Frau nicht verlieren will, denn es wurden gerade andere Gemälde aus dem Museum entwendet. Kann er sicher sein, dass mit diesem Gemälde nicht Analoges geschieht?

Detlev Krells heimliche Freude ist der Anblick dieser Frau. Dieser Anblick lässt ihn vielleicht für Momente am Tag wieder jung sein, gibt ihm Kraft, den Alltagstrott zu überstehen.

Was für Detlev Krell der Anblick der schönen Frau auf dem Gemälde ist, mag für uns der allmorgendliche Anblick eines hübschen Mannes oder eine ebenso hübschen Frau auf eine Litfaßsäule sein, die uns auf dem Weg zum Arbeitsplatz entgegenlachen, sprich etwas eigentlich Imaginäres, was dennoch Glücksgefühle hervorruft.

Krells Gattin, die von der Freude ihres Mannes beim Anblick der Frau erfährt, reagiert hochgradig eifersüchtig, weil sie sich mit dieser Frau zu vergleichen anschickt und schließlich aus der Eifersucht heraus, destruktiv zu agieren beginnt. Negative Handlungen solcher Art finden täglich viele Millionen Male statt und das seit Jahrtausenden bereits. Doch die Menschen lernen daraus nichts. Sie hören nicht auf, sich zu vergleichen. Sie hören auch nicht auf, ihrem geliebten Partner sogar harmlose Träume zu zerstören, wenn sie das Gefühl haben, dass sie nicht den Mittelpunkt dieser Träume verkörpern. Sie zerstören selbst solchen Träume, deren Inhalt dem Träumenden noch nicht einmal klar sind, weil die Träume sich, wie das mystische Avalon in Nebel hüllen, damit der Träumende sich vor sich selbst nicht rechtfertigen muss.

"Rivalen" ist eine wirklich gelungene Erzählung, die trotz des fiktiven Inhalts ganz nah an der Wirklichkeit angesiedelt ist und die leise Bitte enthält, dem Herzens-Du alle Träume einfach zu lassen als Zeichen dafür, dass man es wirklich liebt, vor allem aber dessen Gegenliebe nicht pausenlos infrage stellt.

In der zweiten Erzählung, sie trägt nicht grundlos den Titel die "Die Maske", berichtet der Ich-Erzähler, ein junger Student, der die Semesterferien bei seinem Großvater, einem Kneipenbesitzer auf einer Insel zubringt, von seinem Verliebtsein in eine hübsches Mädchen, namens Lene, die auf dieser Insel lebt. Es geht in besagter Erzählung nicht nur um die Liebe, sondern auch um Tiermasken, die aus einem Container eines Schiffes stammen. Unter diesen Masken verbergen die Gäste in der Kneipe vergnügt ihre Gesichter. Sie verhalten sich schlagartig anders und zwar so, wie sie vielleicht gerne sein würden, es sich aber nicht getrauen.

Authentisches Verhalten, das eigentlich das Ablegen von Masken erforderlich macht, ist in der Erzählung von Lenz erst möglich, nachdem man sein Antlitz hinter einer Maske versteckt. Wer sich schon länger im Internet aufhält, weiß um diese Dinge und hat Gelegenheit, das wahre Ich von Menschen in ihren Tarnkappen kennenzulernen. Nicht immer ist das wahre Ich liebenswert, besonders dann nicht, wenn es Kindheitsverletzungen nicht verarbeitet hat.

Dennoch, es scheitert stets alles, wenn man sich nicht zur Authentizität entschließt, speziell in der Liebe, die stets heilend wirken kann. Das wird in dieser Erzählung von Siegfried Lenz deutlich.

Auch die weiteren drei Erzählungen befassen sich mit Verhaltensmustern von Menschen. Es führt allerdings zu weit, jetzt dies hier alles auszubreiten. "Der Entwurf" hat mich übrigens besonders berührt. Hier geht es darum, Distanz zu sich selbst und seiner momentanen Situation zu gewinnen. Wohl dem, der die Gnade hat, ein begabter Schriftsteller zu sein......

Den Kernsatz der Erzählungen habe ich zum Ende der 5. Erzählung gefunden. Er lautet: "Das Schicksal verzichtet oft auf Kommentare, es begnügt sich damit zuzuschlagen", (Zitat: S.123). Vielleicht ist es die Aufgabe eines guten Erzählers, durch seine Erzählungen die Kommentare zu liefern. Siegfried Lenz kommentiert mitfühlend und deshalb lese ich ihn immer wieder gerne.

Empfehlenswert.

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Rezension:Ein abenteuerliches Herz: Ernst-Jünger-Lesebuch (Broschiert)

"Der Wein hat Europa stärker verändert als das Schwert. Immer noch gilt er als Medium kultischer Wandlungen."

(Zitat: Ernst Jünger, Seite 249 aus "Annäherungen. Drogen und Rausch")

Sofern Sie sich einen Überblick über die Literatur Ernst Jüngers verschaffen möchten, sollten Sie sich mit diesem Lesebuch auseinandersetzen, das Heinz Ludwig Arnold herausgegeben hat und zwar mit spannend zu lesenden persönlichen Erinnerungen an den Schriftsteller, die er den ausgewählten Texten voranstellt.

Man hat Gelegenheit sich mit vielen Texten Jüngers zu befassen, darunter auch "In Stahlgewittern", "Das Abenteuerliche Herz" in der Fassung von 1929 und 1938, "Auf den Marmorklippen" und die "Gläsernen Bienen".

Jüngers Denken finde ich in erster Linie subtil. Stilistisch ist er natürlich brillant. Das will ich an dieser Stelle an einem Beispiel deutlich machen: "Die weibliche Energie ist stärker, wenn auch weniger sichtbar, all die männliche. Sie ist durchdringend, minder sprunghaft, waltender. Sie ist biegsamer und doch härter als die berühmte Stahlklinge. Aber wie Stahl hat sie diese Tugend nicht von Anfang an besessen, sondern erworben, indem sie im kalten Bade geschreckt wurde."
(Zitat: S. 350, aus : "Eine gefährliche Begegnung").

Wir sehen also, Jünger schreibt nicht nur exzellent, sondern er war ein vortrefflicher Beobachter. Grund genug sich mit ihm zu befassen, auch wenn uns seine Beobachtungen "In Stahlgewittern" interpretatorische Magenschmerzen bereiten.

Empfehlenswert.

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Rezension:Gesten radikalen Willens (Broschiert)

Das vorliegende Buch enthält acht Essays der 2004 verstorbenen amerikanischen Intellektuellen Susan Sontag. Übersetzt wurden die Essays aus dem Amerikanischen von Jörg Trobitus. Das Nachwort hat Professor Münkler verfasst, der Politikwissenschaften an der Berliner Humboldt Universität lehrt.

Sontags politische Texte aus der zweiten Hälfte der 1960er Jahre sind, wie das Beispiel "Was Amerika geschieht" zeigt, von tiefer Enttäuschung geprägt. Wie man erfährt kritisiert die Intellektuelle die Welt und deren Verhältnisse auf eigene Faust. Sie kann sich, wie die Essays deutlich machen, weder auf die Rückendeckung philosophischer Systeme verlassen, noch will sie als Bestandteil einer größeren politischen Bewegung rubriziert und von dieser vereinnahmt werden.

Wer sich für das Denken der Intellektuellen in jenen Jahren interessiert, ist gut beraten Essays wie "Was in Amerika geschieht", "Die Fahrt nach Hanoi" oder auch die "Ästhetik des Schweigens" und all die anderen Essays im Buch zu lesen und lernt zu begreifen, was junge Menschen in jener Zeit umtrieb, auf die Straße zu gehen.
So liest man auf Seite 236 "Denn die amerikanische Macht ist vor allem von ihrem Ausmaß her unanständig. Doch zugleich beleidigt die Ausprägung des amerikanischen Lebens die Möglichkeit menschlichen Wachstums, und die Verunstaltung der amerikanischen Lebenswelt durch technischen Schnickschnack und Autos und Fernsehen und Fertigbauweise verroht die Sinne und macht aus den meisten graue Neurotiker und aus den besten von uns Geistesathleten und schrille Selbsttranszendierer."

Ich will nich unerwähnt lassen, dass Susan Sonntag kurz vor ihrem Tode den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt.

Empfehlenswert.

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Rezension: Kleist: Das große Lesebuch (Broschiert)

Im Zustand innerer Perspektivlosigkeit und weitgehender materieller Mittelosigkeit hat sich der Dichter Heinrich von Kleist am 21.November 1811 am Ufer des Kleinen Wannsees in Berlin erschossen, erfährt man im Rahmen der Daten zu Leben und Werk des Aristokraten, zum Ende des vorliegenden großen Lesebuchs.

Der Herausgeber Clemens von Meyer hält eine Auswahl von Texten des Dichters parat, die den Leser neugierig auf die Werke Kleists machen. Man hat Gelegenheit Briefe Kleists zu lesen, so etwa an Ulrike Kleist oder auch an Wilhelmine Zenge, wird mit seinen Werken "Michael Kohlhaas", "Das Erdbeben von Chili" und "Penthesilia" vertraut gemacht und hat die Chance, sich mit dessen Essays wie etwa "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" auseinanderzusetzen.

Clemens Meyer hat nach meinem Dafürhalten eine gute Textauswahl getroffen, die dem Leser Heinrich von Kleist in seiner Vielfalt des Denkens näherbringt. Mein Lieblingswerk des Dichters bleibt "Penthesilia", das ich vor einigen Jahren auf Amazon bereits rezensiert habe. "Michael Kohlhaas" bereitet mir immer wieder Magenschmerzen. Es ist nicht einfach die richtigen Lehren aus dessen Verhalten zu ziehen. Über diesen Text kann man Stunden diskutieren, ohne zu einem endgültigen Urteil zu gelangen. Das macht das Niveau dieses Werkes aus, bei dem schon mancher im Urteil - trotz seitenlanger Argumentation - zu kurz gesprungen ist. Ich finde es immer wieder amüsant, wenn eingefleischte Rechthaber es besser als Kohlhaas zu wissen glauben.:-))

Empfehlenswert.

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Rezension: Liebespaare des Mittelalters (Gebundene Ausgabe)

In diesem hübsch illustrierten Buch von Prof. Dr. Volker Mertens werden 33 berühmte Liebespaare aus der Geschichte und Literatur des Mittelalters vorgestellt.

Einige der Liebespaare sind mir bekannt, so etwa Tristan und Isolde, Lanzelot und Ginevra, Elisabeth und Ludwig von Thüringen, Heloise und Abaelard, Eleonore und Heinrich von England, Siegfried und Krimhild, Lohengrin und Elsam, Agnes Bernauer und Herzog Albrecht sowie Dante und Beatrice. Andere Liebespaare habe ich durch das Buch erst kennengelernt. Dazu zählen u.a. Leila und Madschun, Magelone und Peter als auch Heinrich und die Bauerntochter.

Was lässt uns Leser immer wieder neugierig in alten Liebesgeschichten stöbern? Vielleicht ist es latente Sehnsucht, die unsere diesbezügliche Leselust fördert. Ich halte dies zumindest für möglich.

Wie muss eine Liebesgeschichte "gestrickt" sein, um noch nach Jahrhunderten erzählt zu werden?

Sie muss sich offenbar in erster Linie von der alltäglichen Liebe abheben, muss spektakulär sein und ist dann besonders berührend, wenn ihr Ende traurig ist.

Agnes von Bernauer und Tristan sterben, Elsam wird verlassen. Bei den meisten anderen Liebespaaren im Buch ist auch kein Happy End vorgesehen.

Mein Lieblingsliebespaar aus dem Mittelalter bleibt auch nach der vorliegenden Lektüre Heloise und Abelard. Der Philosoph Petrus Abaelard schreibt seiner schönen, hochintelligenten Geliebten "Glücklich im Grabe mit Dir- nichts sonst bleibt noch der Liebe,"(Zitat S. 75). Nach einer Tragöde gab es für die beiden immerhin noch die Möglichkeit einander Briefe zu schreiben und Heloise schreibt: "Und wenn der Kaiser käme, mich zu ehelichen, wenn er mir die ganze Erde schenkte, so möchte ich doch lieber Deine Dirne heißen und wäre stolz darauf, als seine Kaiserin", (Zitat: S. 83).


Dieses Liebespaar liegt auf dem Friedhof "Pére Lachaise" in Paris begraben und man soll das Grab selten ohne frische Blumen sehen. Nicht nur Liebende aus aller Welt spüren, dass das Band zwischen Abaelard und Heloise ein ganz besonderes war.

Ich kann bei keinem einzigen Paar im Buch eine solche Intensität von Liebe erkennen wie bei Abaelard und Heloise.

Gefreut habe ich mich, auf den letzten Seiten ein Minnelied Walter von der Vogelweides lesen zu dürfen, das mich immer wieder ob seiner Leichtigkeit entzückt. "Unter den linden" ist ein schöner Beginn für eine Liebesgeschichte. Leider endet eine Liebe, die in die Geschichtsbücher eingeht, selten selten so.

Empfehlenswert.

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Rezension:Man muß lieben um zu dichten (Broschiert)

"Man muss lieben um zu dichten" von Klaus Tudyka thematisiert Goethe in Rom, den Eros und die Römische Geliebte.

Tudyka gelingt es, die Atmosphäre Roms zu Zeiten Goethes einzufangen, den Dichter in seiner Kunstbeflissenheit zu skizzieren, die Episoden um die Malerin Angelika Kaufmann in schnellen Strichen aufs Blatt zu bannen und schlussendlich aufzuzeigen, auf welche Weise Goethe in Rom wieder zu sich selbst fand.
Goethekenner wissen, dass der Dichter sich in Rom neu verliebt hat. Dadurch bekam sein Leben in der Stadt einen anderen Sinn. "Bislang liebte er Rom- Jetzt liebt Rom ihn. Juno Ludovisi scheint ihm freundlich zuzunicken, die Stanzen, Loggien und Tapisserien Rafaels sind sein eigen geworden, der Apoll von Belvedere winkt ihm freundschaftlich zu, in seinem innersten hat Rom durch die Römerin endgültig einen Herzplatz erobert und er selbst in Rom seinen Lieblingsplatz gefunden." (Zitat: S.38)

Goethe erlebt angeblich in Rom das erste Mal freizügige Erotik und genießt die Sinnlichkeit, die ihn später in die Arme von Christiane treibt.
Charlotte seine "ferne Geliebte im Norden" spielt nur noch eine Nebenrolle, seine allabendlichen Briefe an sie wollen nicht mehr gelingen, "bei seinen schriftlichen Liebesschwüren streikt der Gänsekiel".

Goethe hat in Rom die Wollust entdeckt und mit ihr Facetten der Liebe, die ihm zuvor fremd waren. Zu diesen zählte offenbar auch die Eifersucht.

War die Liebe zu Charlotte immer ein wenig göttlich, so ist die Liebe zu der sinnesfrohen Römerin sehr irdisch. Goethe entdeckte in Rom seine Sinnlichkeit und an dieser hielt er in den Folgejahren fest. Das war nur möglich, indem er von Charlotte Abstand nahm, denn sie war eine intellektuelle Hofdame, deren Selbstbild Contenance erforderlich machte, vermutlich auch im Liebesspiel.

Empfehlenswert.

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Rezension: Mann von Stein: Monolog des Dritten im Bunde (Taschenbuch)

"Mann von Stein- Monolog des Dritten im Bunde" von Klaus Tudyka habe ich mit großem Interesse gelesen, weil hier ein berühmter Gehörnter zu Wort kommt. Gehörnt ist meines Erachtens nicht nur der Gatte, dessen Angetraute mit einem anderen Mann den Beischlaf vollzieht, sondern auch jener, dessen Frau, wie Charlotte eine platonische Liebesbeziehung mit einem anderen Adam lebt. Gehörntsein ist keine Schwäche, wie das Beispiel Mann von Stein zeigt.

Charlottes Ehemann ist sich nicht sicher, ob seine Frau mit Goethe eine intensive sexuelle Beziehung pflegte oder auch nicht. Tatsache ist, dass sie sieben ehelichen Kindern das Leben geschenkt hatte, bevor sie Goethe kennenlernte. Charlotte war also Sexualität nicht fremd.

Trotz der Kinder war die Adelige eine schlanke, aparte Frau als der um 7 Jahre jüngere Goethe an den Weimarer Hof kam. Von Stein kommt zum Ergebnis, dass Goethe seine Charlotte als Liebesobjekt erwählte, um vor den vielen junge Mädchen, die ihn als Ehemann einfangen wollten, Ruhe zu haben.

Wie dem auch sei, fortan schmachtete Goethe Charlotte an. Jeder in Weimar wusste um das Glück der Turteltauben. Wie intensiv es war, zeigt sich in den Gedichten, die Goethe Charlotte schrieb. Dass Charlotte ihre Briefe nach der Trennung von Goethe nach dessen Italienreise vernichtet hat, lässt die Vermutung aufkommen, dass dort die wahre Intensität der Beziehung dokumentiert war und von Stein für immer als den faktisch Gehörnten in der Männernachwelt bloßgestellt hätte.

Stein ist im Monolog froh, dass die Beziehung zwischen Charlotte und Goethe nach der Italienreise ein Ende fand. Bei allem hat er seine Gemahlin nicht aufgehört zu lieben und zeigt sogar Verständnis für die beiden, die möglicherweise karmisch miteinander verbunden waren.

Empfehlenswert.

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Rezension:Gott im Himmel was ist Weimar für ein Paradies (Taschenbuch)

Klaus Tudyka beschreibt in diesem Buch die Stationen der Liebe zwischen Goethe und Frau von Stein, jener aparten, hochintellektuellen Weimarer Hofdame, in der Goethe seine Frau, vielleicht auch seine Schwester aus abgelebten Zeiten vermutete, weil das Seelenband keinen anderen Schluss zuließ.

Charlotte von Stein war um einige Jahre älter als Goethe, eine gepflegte, sehr schlanke Erscheinung, der man die vielen Geburten nicht anmerkte. Charlotte war keine Frau, die Affären pflegte, bevor sie Goethe kennenlernte und das, was sich zwischen ihr und dem jungen Dichter entwickelte, war weit mehr als eine Affäre. Hier begegneten sich zwei Seelenverwandte, die lange voneinander nicht lassen konnten, wissend, dass das Bekanntwerden ihrer Beziehung für Gerede sorgen, vielleicht sogar einen Skandal auslösen würde. Das konnten beide sich nicht erlauben.
Tudykas Versuch mittels eines fiktiven Briefwechsels zwischen Goethe und Frau von Stein Licht in das Dunkel dieser Beziehung zu bringen, ist meines Erachtens geglückt. Dazu muss man wissen, dass es in der Realität zwischen den beiden einen regen Briefwechsel gab und das Charlotte später ihre Briefe zurückforderte und nahezu vollständig verbrannte. Was sie dazu veranlasste, wird nach der Lektüre des Büchleins nachvollziehbar.

Wie ist es möglich, dass eine solch große Liebe am Ende doch zerbrach? Ich denke nicht, dass es nur dahingesagte Worten waren, als Goethe Charlotte möglicherweise schrieb: "Sag mir, was in Deiner schönen Seele vorgeht. Wie freu ich mich, dass ich so bin, dass Du mich lieben kannst. Ich küsse Dich mit dem Kuss der Gedanken. Täglich werde ich mehr und mehr Dein eigen. Ich kann nicht erwarten, vor Dir zu knien, Dir tausend, tausendmal zu sagen, dass ich ewig Dein bin. Du machst mir alles süße. In allen und bei allen Dingen fühl ich deine Liebe. Wie gern sag ich immer dasselbige: Liebe mich. Du meinigste! Geliebteste!" (Zitat: S. 27)...und Charlotte ihm offenbarte:"Gestern als ich Dich ganz spürte und Du mich, ward ich plötzlich eine andere, willenlos und doch ganz willenhaft, ich war Dir nahe, wie ich noch nie in meinem Leben einem Menschen nahestand, mein Herz schlug im Takt des Deinen, wir waren eins, wir wurden eins, was tot in mir war, wurd beseelt, was welkte frischlebendig. Gefühl, wie ich`s, ich schwö`rs, noch nie empfunden, bei keinem Manne."(Zitat S. 23). Tudykas fikitiver Briefwechsel macht bestens begreifbar, was sich zwischen den beiden Weimarer Protagonisten abspielte und ich bin überzeugt, dass beide bis zum Lebensende niemals mehr wirklich glücklich sein konnten, dass beide einen unglaublichen Verlust hinnehmen mussten.

Die Liebe zerbrach meines Erachtens an den Umständen, an der Tatsache, dass sie nie gelebt werden durfte. Ich vermute, dass diese Liebe stets von Schwermut belastet war, die am Ende alles erdrückte und Goethe ins sonnige Italien flüchten ließ. "Mehr Licht" hätten beide für ihre wundervolle Liebesbeziehung verdient gehabt.

Ein lesenswertes Büchlein, ganz zauberhaft.

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Rezension:Letzte Liebe (Broschiert)

Klaus Tudyka hat mit "Letzte Liebe" einen sehr kurzweilig zu lesenden Text verfasst, der Goethe-Liebhaber entzücken wird. Zur Sprache gebracht werden die Ereignisse, die zu Goethes "Marienbader Elegie" führten. Thematisiert wird Goethes Abschied vom Eros, aufgrund der Tatsache, dass die 17 jährige Ulrike von Levetzow ihm, dem bereits über 70 jährigen, einen Korb gab, als er Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um sie zu heiraten.

Goethe war zu seinen Lebzeiten ein Star. Die Frauen lagen ihm zu Füßen. In jungen Jahren war er Charlotte von Stein, die einige Jahre älter als er war, sehr zu getan. Wie kam es später zum Typenwechsel? Wir wissen, dass er auch die wesentlich jüngere Marianne von Willemer sehr mochte und dass Christiane, seine langjährige Bettgefährtin und spätere Ehefrau immerhin 16 Jahre jünger als er war. Jüngere Frauen inspirierten den in die Jahre gekommenen Goethe, werden ihn vergnügt Pfauenräder haben schlagen lassen, die bei gleichaltrigen attraktiven, gebildeten Damen zu spitzzüngigen Bemerkungen geführt hätten.

Es scheint der Liebreiz gewesen zu sein, der ihn bei Ulrike von Levetzow begeisterte. Liebreiz besitzen (ja, ja, es ist so!) stets nur sehr junge Frauen und genau dieser Liebreiz ist es, der Dichter beflügelt, schöne Verse zu schreiben. Trotz aller Allüren, das wird auch im Text deutlich, war Goethe gewiss klar, dass das junge Mädchen nicht mehr als einen lieben älteren Herren, einen charmanten Großvater in ihm sehen konnte.... und dennoch probierte es sein Glück.

"Wie konserviert man Eros?", wird die ewige Frage des alternden Goethes gewesen sein, wie bringe ich Heiterkeit in mein fast abgelebtes Leben? Durch eine junge Frau, die mich vergessen lässt, dass mein Körper bereits den Zenit überschritten hat und mir letztlich nur noch der Geist und mit ihm das Philosophieren bleibt?

Er wollte der Gefährte der jungen Ulrike, hauptsächlich ihr Beschützer sein, wollte ihre Anlagen fördern und diese junge Menschenblüte zu ihrer schönsten Entfaltung bringen, (vgl.: S.32). Ein oberflächlich akzeptable, honorige Rechtfertigung, die man von Bankier Willemer bereits kennt.

Was gebe ich und was kriege ich dafür? Ansehen und finanzielle Freiheit für Jugend. Ein schöner Kuhhandel, bei dem viele Frauen nicht nein sagen und gerne auf den Eros verzichten. Auch vor fast 200 Jahren wird ein junges Mädchen ihre Nächte nicht wirklich im Bett eines Großvaters zubringen haben wollen, selbst wenn der Großvater auf Freiersfüßen Johann Wolfgang von Goethe hieß.

Steht es uns an moralisch zu richten? Ich glaube nicht.

Goethe wird die Absage ohne Schwermut hingenommen haben. Er war ja kein Idiot, sondern ein Dichter, der versuchte, sich als über 70 jähriger als Minnesänger ins Zeug zu legen und sich in der Rolle eine Zeitlang gefiel. Hat er sich zum Affen gemacht? Ich will es nicht beurteilen. Er hat meines Erachtens seinen Abschied von Eros mit dieser Geschichte für seine Fans in bunten Farben zelebriert und ihnen in diesem Zusammenhang die "Marienbader Elegie" geschenkt. Vermutlich saß er am Schreibttisch und schmunzelte.

Empfehlenswert.
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Rezension:Die Träumerin von Ostende: Erzählungen (Gebundene Ausgabe)

Eric -Emmanuel Schmitt hat in Paris Philosophie studiert, bevor er in den 1990er Jahren als Autor für Theater, Film und Fernsehen zu arbeiten begann. Die fünf packenden Geschichten regen die Fantasie ganz ungemein an, wobei speziell die erste und letzte Erzählung im Buch es mir besonders angetan haben.

"Die Träumerin von Ostende", eine in die Jahre gekommene Frau, die in einem Rollstuhl ihr Leben in einem Bücherparadies zubringt und sich von Jugend an in diese Bücherwelt vergraben hat, berichtet einem jungen Schriftsteller, der aus Liebeskummer nach Ostende gereist ist und bei ihr im Haus wohnt, von ihrer Jugendliebe.

Ihre Geschichte ist sehr spannend, aber etwas surreal. Bis zum Schluss bleibt unklar, ob die alte Dame die Wahrheit spricht. Wer schon etwas länger auf dieser Welt lebt, hat keine Probleme an dem Wahrheitsgehalt ihres Berichtes zu zweifeln, sofern er Vorurteile und gesellschaftliche Denkverbote außen vorlässt. Alles ist möglich, wenn man dem Leben die Wege zu gehen gestattet, die es für uns vorgesehen hat.

Es führt zu weit, an dieser Stelle alle fünf Erzählungen zu streifen. Allen gemeinsam ist ein gerüttelt Maß an zugrunde liegender Fantasie, die uns veranlasst die Geschichten weiterzuspinnen. Dies gilt besonders für "Die Frau mit dem Blumenstrauß". Seit Jahren wartet sie mit diesem auf einem Bahnhof und alle fragen sich auf wen. Wartet sie etwa auf Godot?

Beckett ging es, so liest man in der 5. Erzählung, darum zu zeigen, dass die Welt absurd sei, dass es keinen Gott gibt und wir falsch daran tun, uns nur irgendetwas von diesem Leben zu versprechen. Beckett sei der Ausputzer, er fege den Himmel und die Erde rein und befördere unsere sämtlichen Hoffnungen in den Müll.

Für Eric-Emmanuel Schmitt stellen sich die Fragen, auf wen die Frau am Bahnsteig wartet und ob dieses Warten richtig oder falsch ist, (vgl.: S.279).

Wenn auch warten nicht immer sinnvoll ist, so doch hoffen, denn dieses Hoffen hält uns am Leben. Das auch zeigt die kleine Erzählung mit philosophischem Tiefgang. Ob Beckett diese Erzählung gefallen hätte?

Die Erzählungen wurden von Inés Kobel in einer wundervollen, süffigen Sprache übersetzt. Das Buch bereit großes Lesevergnügen.

Rezension: Amsterdam und zurück: Roman (Gebundene Ausgabe)

In ihrem Erstlingswerk "Amsterdam und zurück" wird unverkennbar deutlich, dass die Autorin Marente de Moor einige Jahre ihres Lebens in Russland, genauer gesagt in St. Petersburg verbracht hat.

Sie arbeitete dort als Zeitungskorrespondentin und hat dadurch einen tieferen Einblick in das russische Seelenleben und auch die Lebensgewohnheiten dieses Volkes erhalten.

In ihrem Roman gelingt es ihr die Momente einzufangen, die die russische Seele so einzigartig macht.

Nachdem die Sowjetunion untergegangen war und die Menschen nicht mehr in dieses kommunistische System eingepfercht wurden, hatten viele, die schon früher mit diesem Unterdrückungsstaat Probleme hatten, den unbedingten Wunsch ins europäische Ausland überzusiedeln.

Eine der bevorzugten Städte Westeuropas war Amsterdam, die Hauptstadt der Niederlande. Von ihr ging der Ruf aus, besonders liberal zu sein und man weiß ja auch aus der Geschichte, dass Zar Peter der Große sich viele Ideen für die Erneuerung seines russischen Reiches aus den Niederlanden geholt hatte.

Witali Kirillow, ein junger Russe beging einen verhängnisvollen Fehler, als er als Offizier an der sowjetisch-finnischen Grenze stationiert war. Er hatte einen Armeeangehörigen, der über die Grenze nach Finnland flüchtete, nicht an diesem Vorhaben gehindert.

Seine sofortige Degradierung nebst Verbannung nach Sibirien war die Folge. Nachdem er seine Strafverbannung verbüßt und ihn die Armee entlassen hatte, gab es für ihn nur noch eine Konsequenz, den Zug von Moskau nach Amsterdam zu besteigen.

Hier taucht er in eine Welt der russischen Immigranten ein, meist ohne gültige Aufenthaltserlaubnis, jedoch zutiefst verwurzelt in den Gebräuchen und Seelenspiegelungen der russischen Heimat. Viele Monate hat er sich in Amsterdam durchgeschlagen, aber in seinen Träumen wird er von dem Bild des flüchtenden Soldaten immer wieder eingeholt.

Er will diesen Mann treffen. Wissen möchte er, wer der Flüchtende ist. Um seine Träume zu überwinden und das tatsächliche Geschehen zu ergründen, wird er nach Russland zurückkehren müssen. Dies ist jedoch nicht einfach, da er als Illegaler im Ausland lebend, bei der Rückkehr in sein Heimatland auf eine schwarze Liste gesetzt wird, was bedeutet, zukünftig kein Auslandsvisum mehr zu bekommen....

Das Buch zeigt sehr detailliert wie unterschiedlich doch die Mentalitäten zwischen Ost- und Westeuropa grundsätzlich sind.
Empfehlenswert.

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Rezension:Jahre am Bodensee: Erinnerungen, Betrachtungen, Briefe und Gedichte (Gebundene Ausgabe)

Der Schriftsteller, Dichter und Nobelpreisträger Hermann Hesse (1877-1962) absolvierte eine Lehre als Buchhändler in Tübingen, bevor er ab 1899 in Basel als Buchhändler und Antiquar arbeitete und ab 1904 als freier Schriftsteller tätig war.

Im vorliegenden, reich bebilderten Buch sind Hesses Schilderungen über den Bodensee zusammengefasst, wo er acht Jahre am Seeufer in Gaienhofen lebte. In dieser Zeit erblickten übrigens seine drei Kinder das Licht der Welt.

Das Buch enthält Erinnerungen, Betrachtungen, Briefe, Gedichte und beeindruckende Fotos aus dem Familienalbum Hesses, wo man ihn mit seinen kleinen Kindern, seiner Frau und mit Freunden erlebt. Hesse muss ein sehr liebevoller Vater gewesen sein. Das machen die Bildern deutlich.

Man hat übrigens auch Gelegenheit in handschriftliche Texte des Schriftstellers einzusehen und kann sich dabei ein Bild von der Geradlinigkeit dieses Mannes machen, die in der Schrift sofort erkennbar ist.

Hesse hat in seiner Gaienhofener Zeit (1904-12) 25 große Erzählungen verfasst, des Weiteren die Romane "Unterm Rad" und "Gertrud", ferner entstanden auch Gedichtbände. Obgleich sein Umfeld ganz offensichtlich seine Kreativität förderte, verkaufte der Dichtere 1912 sein 4 Jahre zuvor erworbene Haus, verließ die Bodenseeregion und bezog mit seiner Familie ein Haus in der Nähe von Bern. Es war wohl eine Vernunftentscheidung.

Die Zeit am Bodensee war eine Zeit des Lebens in einer Idylle, dies kommt in den Texten zum Ausdruck, die man im vorliegenden Buch nachlesen kann. Er schreibt über das Haus, in dem er und seine Familie leben, über einen Besuch beim Dorfarzt, über einen Septembermorgen am Bodensee, über Herbstnächte, über Landschaftseindrücke zu unterschiedlichen Jahreszeiten und dergleichen mehr.

In einem Brief von 1904 an Stefan Zweig fand ich folgenden Sequenz:"Nun bin ich ein verheirateter Mann, und mit dem Zigeunern hat es einstweilen ein Ende. Die kleine Frau ist aber lieb und vernünftig. Freilich- dass ich heute ein kleine Fässchen Wein bestellt habe, weiß sie noch nicht. Der hiesige Wein ist nämlich schandenmäßig sauer," (Zitat Seite 49), :-))

Hesse-Liebhaber dürfen sich freuen. Das Buch enthält viele, darunter auch wenig bekannte Texte des Schriftstellers.

Eines der die Prosatexte unterbrechenden Gedichte möchte ich wiedergeben:


Manchmal

Manchmal, wenn ein Vogel ruft
Oder ein Wind geht in den Zweigen
Oder ein Hund bellt im fernsten Gehöft,
Dann muss ich lange lauschen und schweigen.

Meine Seele flieht zurück,
Bis vor tausend vergessenen Jahren
Der Vogel und der wehende Wind
Mir ähnlich und meine Brüder waren.

Meine Seele wird ein Baum
Und ein Tier und ein Wolkenweben
Verwandelt und fremd kehrt sie zurück
Und fragt mich. Wie soll ich Antwort geben?
(siehe Seite 92)

Empfehlenswert.

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Rezension: Sittenlehre- Martin Kohan

Martin Kohan gehört zu den Schriftstellern, die die neue Literatur in Argentinien prägen. Da er in Buenos Aires lebt und arbeitet, neben seinem schriftstellerischen Wirken ist er auch noch Literaturdozent, spielt sein Roman "Sittenlehre" auch in der Hauptstadt Argentiniens.

Er hat den Roman zeitlich zurückversetzt, in das Jahr 1982 als Argentinien von einer Militärjunta beherrscht wurde. Zudem sind es die Monate, in denen die Militärs mit England um die Falklandinseln im Krieg lagen.

Die junge Maria Teresa ist Aufseherin in der Eliteschule Colegio National, einem durch Tradition geprägten Bildungsinstituts, das über die lange Zeit ihres Bestehens außergewöhnliche nationale Persönlichkeiten hervorgebracht hat. So erlangte das Colegio einen besonderen Ruf als vaterländische Ausbildungsstätte.

Untermauert wurde das Ansehen mit Disziplin, erzieherischer Strenge und Sittsamkeit, stets darauf achtend, dass diese Tugenden immerfort eingehalten werden. Hier ist die Protagonistin angetreten, um im Kreise ihrer Mitaufseher mit der gebotenen Ausdauer und Strenge diese traditionelle Maxime durchzusetzen, um jederzeit ihren Vorgesetzten den Nachweis zu erbringen, dass sie die geeignete Person für dieses Amt ist.

Ansonsten geschieht nicht viel im Leben von Maria Terese. Da sind ihre Mutter, mit der sie ein gemeinsames Leben führt in einer kleinen, bescheidenen Wohnung und ihr Bruder, der vom Militär eingezogen, gelegentlich Lebenszeichen signalisiert in Form einer Ansichtskarte oder ab und an in einem kurzen Telefongespräch.

Die Tage gehen dahin, die Jahreszeiten wechseln und immer ist Marie Terese peinlichst genau bestrebt bei der Einhaltung von Kleiderordnung und dem Betragen der Schüler innerhalb und außerhalb des Gymnasiums. Verfehlungen werden abgestellt und sofort bestraft. Die Verlängerung der täglichen Schulzeit um eine Strafstunde ist keine Seltenheit.

Eines Tages muss die von absoluter Disziplin durchdrungene Aufseherin, die noch jung an Jahren ist, feststellen, dass Empörendes geschehen sein muss. Einer ihrer Zöglinge, sie war gerade dabei, die Liste der strengen Vorgaben zu überprüfen, roch eindeutig nach Zigaretten. Welch` ein Frevel! Rauchen war innerhalb der Schule absolut untersagt. Sie beschloss der Sache nachzugehen und überlegte, dass das Rauchen innerhalb des Colegio wohl nur auf der Knabentoilette stattgefunden haben konnte. Dies war erneut die Gelegenheit ihrem Oberaufseher zu beweisen, dass sie die geeignete Person ist, solches außergewöhnliche Fehlverhalten zu untersuchen.

Sie entschied bei nächster Gelegenheit investigativ auf der Knabentoilette zu recherchieren. Hier nun beginnt ihr Leben und ihre Arbeit eine Wendung zu nehmen...

Martin Kohans schriftstellerische Fähigkeiten liegen zweifelsohne darin, sehr detailliert, auch scheinbar einfache Handlungen ausführlich zu beschreiben. Dieses handwerkliche Können erzeugt beim Leser eine fortwährende Spannung. Ungeduldig will man wissen, in welche Richtung die Erzählung sich bewegt. Man wartet auf den Punkt des Umbruchs, um mitzuerleben, was der Roman noch aufzeigt.

Empfehlenswert.

Rezension:Tetralogie der Erinnerung: Das Muster. Tagundnachtgleiche. In der Erinnerung. Auf der anderen Seite der Welt (Broschiert)

Die vorliegende Kassette enthält vier Romane des deutschen Schriftstellers Dieter Forte. Hierbei handelt es sich um die Romane mit den Titeln "Das Muster", "Tagundnachtgleiche", "In der Erinnerung" und "Auf der anderen Seite der Welt".

Forte ist ein sehr wortgewaltiger Schriftsteller. Bei Gelegenheit werde ich die einzelnen Romane ausführlich rezensieren. An dieser Stelle möchte ich die Kassette nur kurz vorstellen, weil man vier Romane in einer Rezension nicht umfassend besprechen kann.

Deshalb ganz kurz nur: In seinem Roman "Das Muster" zeichnet Forte die Identität Europas als Netzwerk von Völkern und Sprachen, Religionen und Eigenheiten voller Weisheit, Wissen, Witz Menschlichkeit und Vitalität nach, während in "Tagundnachtgleiche" der Terror der Nazis und die Gräuel des Krieges das Thema sind.

Die Nachkriegsjahre 1945- 48 wiederum sind die Zeit, die im Roman "Erinnerung" abgehandelt werden. Im Roman "Auf der anderen Seite der Welt" scheint für einen jungen Mann in den 1950er Jahren in einem Sanatorium auf einer Nordseeinsel die Welt still zu stehen. Sie verleiht ihm die Möglichkeit des erinnernden Erzählens.

"In Erinnerung war das Fenster viel größer, so groß wie die Welt, die er durch das Fenster sah, in den vielen Tagen und Nächten, die in der Erinnerung zu einem Bild wurden, zu einer unbewegten, atmenlosen Zeit, lautlose Nächte und stumme Tage, die vergingen, wie sie erschaffen wurden unter einer kalten Sonne, die vom Morgen bis zum Abend die Erde mit ihrem Licht überzog, versteinerte Überreste einer versunkenen Welt unter weiß leuchtenden Sternbildern, stumpfe Mauern, zerstörte Häuser, verschüttete Straßen, verglühte Kirchenschiffe, die Silhouhette einer untergegangenen Stadt mit ihren schroffen Konturen im Mondlicht".

So wortgewaltig beginnt Dieter Forte seinen Roman "In der Erinnerung". An diesen Sätzen bereits können sie sehen, dass jeder der Romane im Einzelnen rezensiert wird muss.

Eine Leseempfehlung gebe ich allerdings schon jetzt.

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Rezension:Die Dirigentin- Wolfgang Herles

Der Protagonist im Roman von Wolfgang Herles ist der Staatsminister Jakob Stein. Die Bundeskanzlerin Christina Böckler hat sich seiner entledigt. An ihrem Zynismus knabbert Stein noch immer und kann nicht loslassen. Um sich abzulenken, geht er nun seiner Liebe zur Musik, konkret der Oper nach, hält sich auf seinen Reisen in guten Restaurants auf, trinkt teuren Wein und speist fürstlich, doch das Leben zu genießen, versteht Stein nicht.

Der geschasste Staatsminister verliebt sich in die ehrgeizige Stardirigentin Maria Besson, der er durch ganz Europa folgt. Doch diese bedient sich letztlich seiner in genau der gleichen Weise wie die Kanzlerin. Weiber sind halt Schlangen, vor denen man sich hüten sollten:-))

Herles gelingt es- sehr sarkastisch - den derzeit grassierenden Wagnerhype zu fokussieren.

Ein Schelm ist natürlich der, der Parallelen zwischen Christina Böckler und unserer derzeitigen Kanzlerin vermutet.

Männer wie Stein müssen sich emanzipieren. Geradezu unerträglich ist es, mit anzusehen wie er sich von Frauen beherrschen lässt. Man leidet als Leser mit diesem armen gebeutelten Mann, der es nicht schafft, ohne Übermutter zu leben.

Stein ist eindeutig ein Weichei, trotz seines Titels. Hoffentlich gibt es nicht zu viele dieser Art unter den Staatslenkern. Kein Wunder, dass Maria Böckler solchen Jungs den Rücken kehrt. Sie muss es, denn sie wird an ihrem Team gemessen.

Ein amüsanter Roman, für Leser, die subtilste Ironie lieben.

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Rezension: Gab mich meinen Träumereien hin ...: Ein literarischer Streifzug von Dante bis Kafka (Broschiert)

Laetitia Rimpau ist die Herausgeberin hat diese Anthologie "Gab mich meinen Träumereien hin.- Ein literarischer Streifzug von Dante bis Kafka". Dieses Buch enthält Prosatexte und Gedichte von Dichtern, Schriftstellern und Philosophen, die sich auf ihre dichterischen Träumereien auf sehr unterschiedlicher Art offenbar angstfrei einlassen.

Untergliedert ist das Buch in die Rubriken: In der "Werkstatt" des Träumens; Musenträume; Feenträume; Traum von der roten Rose; Von der engelsgleichen Venus träumen; "Ich träume, also bin ich"- Philosophenträume; Träumereien (in) der Natur; Märchenhafte Träume; Närrische Träume; "Wach` ich? Träum ich?"- Phantastische Träumereien; Albträume im Klima der Klinik; Dichterträume nach Freud.

Die Herausgeberin schreibt, dass es in der Kulturgeschichte der Menschheit eine Fülle von Möglichkeiten gibt, für irrationale Träume scheinbar vernünftige Erklärungsmodelle zu finden und sie als Prophezeiungen der Götter, als Folge falscher Ernährung oder Offenbarung unbewusster Triebphantasien darzustellen. Das kann man nicht widersprechen. Doch auch Dichter versuchen seit jeher den Rätseln des Traums auf die Spur zu kommen, so Dr. Rimpau. Den so genannte Dichtertraum, der im Buch hier vorgestellt wird, gab es bereits in der antiken Literatur. Gemeint ist die Vorstellung, dass der Dichter nur träumend zu Inspiration, Wissen und Kunstfertigkeit gelangen kann. Unter Dichterträumen versteht man fiktionale Texte, die nur wenig mit realen Träumen gemein haben. Ihr Inhalt sind Figuren, nicht selten der Autor selbst, im Schlaf, Halbschlaf, Wachtraum oder im Wahnzustand, (vgl.: S 294).

Zu den Autoren im Buch zählen Ovid, Apuleius, Dante Alighieri, Francesco Petrarca, Denis Diderot, Jean Paul, Novalis, Joseph von Eichendorff, Heinrich Heine, Charles Baudelaire, André Breton, Franz Kafka und viele andere mehr.

Im Nachtrag erläutert die Herausgeberin, wie bestimmte Texte zu verstehen sind. Ich will ihrer Interpretation nicht vorweggreifen und rate jedem erst einmal selbst die Texte zu lesen und sich einen Eindruck zu verschaffen, um ihn dann mit den Interpretationen von Rimpau abzugleichen.

Die Texte im Buch machen begreiflich wie vielschichtig Dichterträume sein können und dass sie sich keineswegs nur mit der Liebe und märchenhaften Wünschen befassen müssen und auch mehr als nur phantastische Träume,- man kennt sie bei Poe und Baudelaire- , abdecken.

Bemerkenswert finde ich vor allem Diderots "D`Alemberts Traum", in dem sich Diderot u.a. mit der Frage auseinandersetzt, worin die Freiheit des Träumenden besteht. Eine Frage, mit der man sich tagelang beschäftigen kann, ohne eine wirklich umfassende Antwort geben zu können. Ich bewundere Diderot. Er war ein sehr kluger Mensch.

Fazit: Wer sich verbietet, Tagträume zu haben, wird seine Kreativität verlieren.

Empfehlenswert.

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Rezension:Getrieben: Stories aus der weiten wilden Welt (Gebundene Ausgabe)

 Dieses Buch erschien in 2005. Entdeckt habe ich es erst jetzt und mit ihm diesen begnadeten Autor, der wie kaum ein anderer weltläufig, spannend und eloquent zugleich zu schreiben vermag. Dass Andreas Altmann bereits 1991 den renommierten Egon-Erwin-Kisch-Preis erhielt, wundert mich nicht. Wer so gekonnt wie dieser Autor Pegasus zu reiten vermag, müsste im Grunde jährlich mit Preisen überhäuft werden. Was die Juroren daran hindern könnte, ist möglicherweise seine antibürgerliche Geisteshaltung.


Die Geschichten sind autobiographisch, teilt Altmann seinen Lesern im Vorwort mit. Das hätte ich nicht unbedingt wissen wollen, da ich beim Lesen aufgrund dieses Wissens ungewollt in die Position einer Voyeurin gedrängt bin. Nun gut, wenn schon Voyeurin, dann richtig...Deshalb habe ich, nachdem ich das Buch gelesen hatte, alle Fotos im Netz von Altmann angesehen und natürlich auch seine Homepage gelesen. Fazit: ich kaufe diesem Autor ab, dass er all das erlebt hat, was er in den Stories offenbart. Die wahren Abenteuer erlebt man bekanntermaßen im Kopf. Altmanns hochintelligenten Augen verraten mir, dass er bürgerliche Regeln spöttisch belächelt und nur das tut, was er in bestimmten Situationen für zielführend hält.


Sein Buch widmet er übrigens all jenen, "die ihr Recht auf ein eigenständiges, eigenwilliges Leben nicht verraten haben", (Zitat: S.: 12). Ob Altmann es mehr als eine Handvoll Personen gewidmet hat?


Es ist unmöglich, auf all seine Stories einzugehen. Aufgefallen ist mir schon nach wenigen Seiten, dass Altmann ein Verführer ist und als solcher lässt er seine Leser natürlich vermeintlich nah an sich heran. Aber wehe ein Leser rückt ihm zu sehr auf den Pelz, dann lernt er -das vermute ich- den in Harnisch gelegten Autor, der so charmant mit seiner Nacktheit kokettiert, kennen. Altmann ist mit allen Wassern gewaschen, ein provokanter Schelm.


Besonders gut gefallen hat mir die Story mit dem Titel "Celeste". Hier hat er sich in die Freundin eines anderen Mannes verliebt und versucht Celeste einem Casanova gleich zu erobern, die ihm allerdings immer wieder den Beischlaf verweigert und ihn dadurch zunächst mehr und mehr an sich bindet. Als sie sich endlich für ihn entscheidet, antwortet er mit Impotenz und muss sich von ihr abwenden. "Die Aussicht auf Liebe machte mich, wie unübersehbar, impotent, kraftlos, kaputt, "(Zitat: S.389). Bindung und seine Liebe zum Leben passen offenbar nicht zusammen.


Man liest von seiner Liebe zu Büchern, die er in Studienzeiten stahl, um sie besitzen zu können und sie mit Randnotizen zu füllen. Man erfährt wie diese Bücher ihm das Leben in seinem späteren Leben schwer machten. Dutzende von Umzügen und kostspielige Reparaturen der Bücher wollen dokumentieren, dass er sich der gestohlenen Bücher als würdig erweist und seine wunderbaren Reise-Stories relativieren schlussendlich eine Versicherungsbetrügereien. Irgendjemand muss die Weltreisen schließlich finanzieren....Wer mehr gibt als er nimmt, kann kein Verbrecher sein, so der wohl zugrunde liegende Gedanke, den ich nicht zu bewerten beabsichtige.


Altmanns Erfahrungen mit LDS- sie führten zu einem Horrortrip- eine weitere mit einem Homosexuellen sind sehr lesenswert. Der Autor hat vieles ausprobiert, um zu prüfen, was er für sich möchte und was nicht. Den meisten Menschen fehlt dazu der Mut, weil sie zu sehr in Konventionen verhaftet sind, um solche Testreihen vorzunehmen.

Sehr gut auch ist die Story "When a woman loves a man", in der er eine abgründige Beziehung einer Frau zu einem sehr geizigen, kleinkarierten Mann (also das Gegenteil von Altmann) beschreibt. Warum heißt der beschriebene Mann eigentlich A.?


Ich zitiere eine Passage, damit Sie einen Eindruck von Altmanns subtilem Schreibstil erhalten: "Als wir am Ende des ersten Jahres heirateten, war die Schamfrist vorüber. Jetzt spürte ich schlagartig, welch schier übermenschliche Kraft er investiert hatte, um den Teufel in sich zu bändigen, und welch erlösende Genugtuung er nun aus sich herausließ, was unaufhaltsam aus ihm heraus musste.


Ich denke nicht, dass irgendein Wesen auf unserem Breitengrad existiert, das auf radikalere und unvorhersehbarere Art als er versuchte, diesen Trieb nach materieller Keuschheit und unbedingter Entsagung auszuleben. Keiner wird mir glauben, wenn ich hier von dem uferlosen Reichtum der Phantasie, Raffinement und spektakulärem Sadomasochismus erzähle, mit dem A., dieser nun maßlos gewordene Geizkragen, sich anschickte, unser gemeinsames Leben einzurichten auf den Grundpfeilern der Buße, des Irrwitzes und den Ekstasen der Lächerlichkeit," (Zitat: S.123).

Liest man dieser Geschichte, muss man nicht lange nachdenken. Wer mag schon einen geizigen Piesepampel? Stattdessen wendet man sich lieber Männern zu, die - großzügig mit sich und anderen - Zeilen produzieren wie etwa jene: "Die Sprache ist eine edler Hure. Sie treibt es mit vielen. Hauptsache der Kunde weiß das Alphabet auswendig. Dreißig lausige Buchstaben verlangt sie, nicht mehr. Dann darf es ihr jeder besorgen, jeder sie schwängern. Dass hinterher eine Missgeburt zum Vorschein kommt, will die Schlampe nicht wahrhaben." (Zitat. S.: 131)... und was ist, wenn ein A. diese Zeilen geschrieben hat? Wer kennt schon das wahre Wesen eines anderen? Im Grunde doch niemand. Grenzgänger beispielsweise gibt es mehr als man glaubt.

Schön, dass Altmann sich immer wieder neu erfindet und sich erlaubt, in seiner Schreibwelt ein Mensch mit tausend sich wiedersprechenden Facetten zu sein. Für einen Schriftsteller ist die Schreibwelt meines Erachtens die wirklichste aller realen Welten.

Tolle Texte, die beim Lesen liberale Grundhaltungen auf den Prüfstand stellen.

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Rezension: Houellebecq: Karte und Gebiet (Gebundene Ausgabe)


In Michel Houellebecqs neuem Roman "Karte und Gebiet" begibt sich der Schriftsteller in die Welt der Kunst. Sein Protagonist Jed Martin lässt sein bisheriges Leben Revue passieren, erinnert sich an seine Jugend und an seine Studienzeit auf der Kunsthochschule.

Seine ersten öffentlichen künstlerischen Arbeiten wurden animiert durch ein Erlebnis, das er bei der Fahrt mit seinem Vater zur Beerdigung der Großmutter hatte. Dabei stieß Jed Martin bei einem Stop auf einer Raststätte, er suchte eine Straßenkarte um den Ort, wo die Beerdigung stattfinden sollte zu finden, auf die zahlreichen Departement-Karten von Michelin. Sofort war er in den Bann ihrer Ästhetik gezogen. Sein künstlerisches Auge entwickelte ganz neue Darstellungsformen dieser eigentlich alltäglichen Straßeninformationen.

Zurück in Paris beschaffte er sich eine Fülle dieser Michelin-Produkte, um von ihnen Fotografien auf höchstem künstlerischem Niveau zu schaffen. Er trat mit diesen auf einer Sammelausstellung mit seinen Kommilitonen der Ecole des Beaux Arts ins Rampenlicht der Öffentlichkeit.

Auf dieser Vernissage trifft er eine bildhübsche Russin, die bei dem Reifenkonzern Michelin in der Werbeabteilung tätig ist. Es entsteht nun das Projekt Menschen in ihrer Arbeitswelt zu porträtieren. Dabei schlägt er einen weiten Bogen von dem Bildnis eines Gastronomen beim Ausschank bis hin zu Bill Gates, der dargestellt wird, wie er über die Zukunft der Computerwelt nachdenkt.

In diesem Zusammenhang entsteht die Idee, das Vorwort zu dem Ausstellungskatalog von dem weltweit bekannten und kontrovers diskutierten Schriftsteller Michel Houellebecq schreiben zu lassen. Eine erste Begegnung zwischen diesen introvertierten Persönlichkeiten findet im Hause von dem Autor von "Elementarteilchen" in Irland statt.

Jed Martin gelingt es tatsächlich Houellebecq in sein Projekt einzubinden. Auch gelingt es dem zeitgenössischen Künstler, den Schriftsteller zu überreden, ihn mithilfe von einer großen Anzahl von Fotografien zu porträtieren, eine Aktion, der dieser nur sehr zögerlich zustimmt.

Neben der finanziellen Vergütung für die einleitenden Worte im Ausstellungskatalog wird dieses Porträt einen beträchtlichen Wert in Millionenhöhe erreichen. Dazu trägt nicht zuletzt der großartige Erfolg dieser Ausstellung bei. Der Marktwert der Bilder Jed Martins springt in astronomische Höhen...


Der Roman nimmt einen Verlauf, den man, wenn man die Werke des französischen Intellektuellen kennt, nicht vermutet. Einen Houellebecq dieser Machart hat es bislang nicht gegeben. War es dem Autor in seinen früheren Romanen ein Anliegen, gesellschaftliche Kritik anzubringen, indem er die Zustände, in denen sich gesellschaftliche Normen in gehobenen Schichten entwickelt haben, grell nachzeichnete, so erleben wir in diesem Buch einen anderen Houellebecq. Zwar hat das düstere und fatalistische Ansinnen den Autor weiterhin im Griff, doch es gibt Anzeichen, dass der bekennende Nihilist einen Anflug von Altersnachsicht entwickelt hat.


Fast scheint es, dass der Verfasser des Romans sich mit seiner Romanfigur Jed Martin in eine Art Deckungsgleichheit begeben hat und sich gedanklich deshalb ad absurdum führt, weil er eine Möglichkeit auszuloten versucht, wie ein Leben in der fortgeschrittenen Altersstufe bis hin zum Ende gelebt werden könnte. Eine interessante Variante, die Houellebecq für sich skizziert, von der er weiß, dass sie jedoch nie eintreten wird.


Man darf gespannt sein, ob in weiteren Romanen neue Möglichkeiten des alternden Intellektuellen uns zu neuen Nachdenklichkeiten bringen werden. Der Interessenbogen bleibt weiterhin gespannt.
Sehr empfehlenswert.


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Rezension: Gedanken über das Schreiben: Heidelberger Poetikvorlesungen (Gebundene Ausgabe)

Dieses kleine Büchlein enthält Bernhard Schlinks "Heidelberger Poetikvorlesungen" aus den Monaten Mai und Juni 2010. Sie setzen sich aus folgenden Teilen zusammen:
1) Über die Vergangenheit schreiben
2) Über die Liebe schreiben
3) Über die Heimat schreiben

Für Schlink sind die Gestalten historischer Romane heutige Gestalten im gestrigen Gewand. In den Möglichkeiten der Zukunft, mit denen Sciene Fiction spielt, spiegeln sich nach seiner Ansicht die Hoffnungen und Ängste im Hier und Jetzt, (vgl.: S.7).

Für den Autor stellt sich die Frage, ob es für das Schreiben über die Vergangenheit des Dritten Reiches beispielsweise besondere Regeln geben müsse, weil das kollektive Schicksal der Vergangenheit ein besonderer Teil der individuellen Identität der Opfer geworden sei, das diese mit ihrem individuellen Schicksal angemessen dargestellt sehen möchten. Sie empfänden die Verzerrung nicht bloß ihrer persönlichen Vergangenheit als verletzend, sondern vielmehr der Vergangenheit in ihrer Gesamtheit, (vgl.S.9).


Für Schlink gibt es nur eine einzige Regel und das ist jene der Wahrhaftigkeit. Wie aber stellt sich diese Wahrhaftigkeit in der Literatur dar? Kann diese auch die Basis für ein Märchen, eine Komödie oder Satire verkörpern und dürfen Autoren solche Texte über den Holocaust schreiben? Nach seiner Ansicht schon, wenn die Wahrheit hierdurch nicht verloren geht. Für den Autor ist es keine Gewähr für Wahrheit, sich an das Typische zu halten. Für ihn bedeutet, dass Literatur dann wahr ist, wenn sie darstellt, was geschah oder hätte geschehen können und dies ist auch in Komödien, Satiren, im Mythos oder im Märchen möglich.

Schlink meint zu Recht, dass Literatur uns unsere Wirklichkeit erklärt und dass sie uns einlädt, uns in andere Wirklichkeiten hineinzuversetzen, die nicht die unseren sind, (vgl.: S.26). Sehr gut erläutert er, weshalb das Erzählen einer Geschichte keine andere Absicht vertrage, als die, die Geschichte zu erzählen und sie wahrhaftig zu erzählen, (vgl.: S.28). Es kann dabei vorkommen, dass diese wahrhaftigen Geschichten auf Kosten anderer geschrieben werden und man abwägen muss zwischen dem Interesse, das Erzählte zu veröffentlichen und den Verletzungen, die dadurch geschehen. Als Beispiel nennt der Autor "Das Leben der Anderen". Man könne über Vergangenes letztlich nicht so schreiben, dass sich niemand verletzt fühle und deshalb bestünde keine Gewähr dafür, dass, wenn es nur stimmte, sich niemand verletzt fühle. Es könne verletzen - wie die Vergangenheit verletzt habe und weiter verletzen, (vgl.:S35). Dem kann man nur zustimmen.

Interessant sind auch Schlinks subtile Betrachtungen über die Liebe. Für ihn bedeutet, über die Liebe zu schreiben, über Lieben zu schreiben und dabei die Liebe in ihrer Vielgestaltigkeit zu bewahren, sie mithin vor dem normativen Zugriff zu schützen, (vgl.S.42). Was er damit meint, breitet er in dieser Vorlesung gut verständlich aus und auch wie sich seine Figuren, die er ähnlich liebt, wie seine Leser, während er sie entwickelt, ein Eigenleben annehmen, die das konfliktfreie Nebeneinander von Wahrnehmung der Schlechtigkeit und liebender Nähe notwendig machen, was offenbar nur durch eine Art "Stockholmsyndrom" zu schaffen ist.

Schlink lässt immer Autobiographisches in seine Figuren mit einfließen, aber stets so, dass nur die gemeinte Person in der Lage ist, sich in der Figur wiederzuerkennen.

Heimat ist das dritte Thema in den Vorlesungen. Er macht deutlich, dass die Vorstellung eines Rechts auf Heimat als den geographisch dingfest zu machenden Ort zum Haben- und Nehmen-Wollen, zu Konflikten und Kriegen mit dem besten Gewissen führe, weil es doch nur um die selbstverständlichste aller Selbstverständlichkeiten gehe, die Heimat, (vgl.: S.84). Es muss klar sein, dass Heimat immer eine utopische Vorstellung ist, weil der Ort an den wir zurückkehren, niemals der Ort ist, von wo wir ausgegangen sind, (vgl.: S.84-85). Schlink macht den Ort über den er jeweils schreibt, zu seiner Heimat, indem er in seiner Sprache über ihn schreibt, (vgl.: 81). Zu diesem Ort zurückzukehren ist möglich, wenn er in seinen Texten liest. Vielleicht ist dies eine der wenigen positiven Formen von Heimat, weil sie keine Konflikte und Kriege im Schlepptau hat.

Die Vorlesungen stimmen nachdenklich. Ich empfehle diese Texte insofern gerne.

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Rezension: Inselträume

"Er war ein wohlgewachsener, schlanker Bursche, (..), alle seine Glieder zeugten von Stärke und Behendigkeit, sein männlich, schönes Gesicht war ohne Wildheit und aus den Zügen sprach, besonders, wenn er lächelte, etwas von der Sanftheit...."(aus: Robinson Crusoe" von Daniel Defoe)

Erinnern Sie sich? Hier wird kein verbiesterter Intellektueller beschrieben, sondern der Traum aller Frauen: der liebe "Freitag":-))

Dieses Lesebuch enthält eine große Anzahl von Textauszügen aus Werken namhafter Autoren, deren Gedanken in den besagten Texten um reale oder um fiktive Inseln kreisen. Inhaltlich decken die Texte folgende Themenbereiche ab:
1) Wie man zu einer Insel kommt

2) Von der Insel an sich und wie man sich auf ihr einrichtet

3) Neuigkeiten von einigen bemerkenswerten Inseln

4) Wie eine Insel regiert und beschaffen sein soll

5) Vom Zusammenleben der Geschlechter auf der Insel

6) Von Begegnungen mit Eingeborenen und Kannibalen

7) Letzte Gedanken von heimischen Inseln.

Zu den Autoren zählen u.a. Jules Vernes, Joachim Ringelnatz, Thomas Morus, Platon, George Sand, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, George Forster, Daniel Defoe und Heinrich Heine.

Dem Quellenverzeichnis am Ende des Buches kann man entnehmen, aus welchen Werken der Autoren die Texte stammen. Defoes "Die Kannibalen" dürfte jeder kennen, der als Kind "Robinson Crusoe" gelesen hat. Neben "Robin Hood" war "Robinson Crusoe" eines meiner Lieblingsbücher und wie mir die Textstelle verdeutlicht hat, gefällt mir die Art wie Defoe erzählt noch immer ausgezeichnet

Die gewählten Textstellen aus "Utopia" von Thomas Morus haben mir auch gefallen. Auf dieses Werk im Rahmen des Lesebuchs aufmerksam zu machen, finde ich sehr lobenswert.

Der Text von Georg Forster "Auf der Insel Huaheine" macht Lust auf dessen Werk "Reise um die Welt" und wer George Sand "Ein Winter auf Mallorca" bislang noch nicht kannte, wird sich spätestens nach der Lektüre des Textauszugs für das Buch interessieren.

Mir hat eine Textstelle aus Heinrich Heines "Auf der Insel Norderney" besonders gut gefallen, so sehr, dass ich sie an dieser Stelle zitieren möchte:"..Was die Menschen so fest und genügsam zusammenhält, ist nicht so sehr das innig mystische Gefühl der Liebe als vielmehr Gewohnheit, das naturgemäße Ineinander-Hinüberleben, die gemeinschaftliche Unmittelbarkeit. Gleiche Geisteshöhe oder, besser gesagt, Geistesniedrigkeit, daher gleiche Bedürfnisse und gleiches Streben; gleiche Erfahrungen und Gesinnungen, daher leichtes Verständnis untereinander; und sie sitzen verträglich am Feuer in den kleinen Hütten, rücken zusammen, wenn es kalt wird, an den Augen sehen sie sich ab, was sie denken, die Worte lesen sie sich von den Lippen, ehe sie gesprochen worden, alle gemeinsamen Lebensbeziehungen sind ihnen im Gedächtnisse, und durch einen einzigen Laut, eine einzige Miene, eine einzige stumme Bewegung erregen sie untereinander so viel Lachen oder Weinen oder Andacht, wie wir bei unseres Gleichen erst durch lange Expositionen, Expektorationen und Deklamationen hervorbringen können." (Zitat: S.256)

Vielleicht ist es ja genau das, was uns alle so gerne von fernen Inseln, von paradiesischen, sonnenerfüllten Räumen träumen lässt, wo man sich ohne viele Worte einfach versteht und nicht jedes kleine falsch verstandene Wort Unversöhnlichkeit auszulösen vermag. Eine Insel der Intellektuellen ist eine Vorstellung, die nur durch Alpträume geistert, oder etwa nicht?

Empfehlenswert.

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