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Rezension: Rainer Maria Rilke - Das große Lesebuch

Herausgeber dieses Lesebuches mit Texten von Rilke ist Michael Lentz. Er auch hat das umfangreiche und dabei überaus erhellendes Nachwort verfasst, welches Rilke-Unkundigen eine gewisse Interpretationshilfe schenkt, z.B. was dessen Gottessuche anbelangt.

Im Buch enthalten sind eine große Anzahl von Gedichten, die untergliedert sind in:

Aus den zu Lebzeiten publizierten Gedichtzyklen

Frühwerke, verstreute und nachgelassene Gedichte

Gedichte in französischer Sprache

Des Weiteren hat man Gelegenheit Erzählungen, Dramen, Essays Briefe und andere Texte des Dichters kennenzulernen und sich einen Überblick bezüglich der wichtigen Daten zu Leben und Werk verschaffen.

Nach meiner Ansicht ist nachstehender Vers aus einem von Rilkes Gedichten sehr aussagekräftig, was das Wesen des Dichters anbelangt:

"Nah ist nur Inneres, alles andre fern

Und dieses Innere gedrängt und täglich

Mit allem überfüllt und ganz unsäglich

Die Insel ist wie ein zu kleiner Stern"
(siehe Seite 56)

Die Duineser Elegien: Leipzig 1923 sind im Buch nachlesbar, auch hier wieder findet man die Botschaft: "Nirgends, Geliebte, wird die Welt sein, als innen. Unser/ Leben geht hin mit Verwandlung. Und immer geringer schwindet das Außen.../", (S.107)

Gefallen haben mir seine Essays, insbesondere "Notizen zur Melodie der Dinge":"VI. Dann denke an das Leben selbst. Erinnere dich, dass die Menschen viele und bauschige Gebärden und unglaublich große Worte haben. Wenn sie nur eine Weile so ruhig und reich wären, wie die schönen Heiligen des Marco Basaiti), müsstest du auch hinter ihnen die Landschaft finden, die ihnen gemeinsam ist."(Zitat: S.406)

Sehr lesenswert ist der Essay über Maurice Maeterlinck. Ein guter Freund hat mir an Weihnachten ein sehr schönes, altes Buch mit Texten dieses Schriftstellers geschenkt, das ich demnächst rezensieren werde. Interessant auch sind die Gedanken Rilkes zu Thomas Mann`s "Buddenbrooks" und natürlich Rilkes Briefe, speziell jene an Lou Andreas-Salomé, die, wie Thomas Bernhard meinte, Rilkes "Lebensmensch", d.h. seine wichtigste Bezugsperson im Leben war.

Allen Texten gemeinsam ist m.E. Rilkes Huldigung des Inneren. Der Dichter soll eine extreme Angst vor Selbstverlust gehabt haben, auch Angst seine poetische Potenz zu verlieren (vgl.S.704) und verharrte deshalb wohl in seinen Innenwelten, denen kaum jemand Zutritt erlaubte. Lou Andreas-Salomé , die ihn wohl am besten kannte und seine Psyche zu nehmen verstand, war eine der wenigen, der er fast immer Einlass zubilligte.
Empfehlenswert.