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Rezension: Houellebecq: Karte und Gebiet (Gebundene Ausgabe)


In Michel Houellebecqs neuem Roman "Karte und Gebiet" begibt sich der Schriftsteller in die Welt der Kunst. Sein Protagonist Jed Martin lässt sein bisheriges Leben Revue passieren, erinnert sich an seine Jugend und an seine Studienzeit auf der Kunsthochschule.

Seine ersten öffentlichen künstlerischen Arbeiten wurden animiert durch ein Erlebnis, das er bei der Fahrt mit seinem Vater zur Beerdigung der Großmutter hatte. Dabei stieß Jed Martin bei einem Stop auf einer Raststätte, er suchte eine Straßenkarte um den Ort, wo die Beerdigung stattfinden sollte zu finden, auf die zahlreichen Departement-Karten von Michelin. Sofort war er in den Bann ihrer Ästhetik gezogen. Sein künstlerisches Auge entwickelte ganz neue Darstellungsformen dieser eigentlich alltäglichen Straßeninformationen.

Zurück in Paris beschaffte er sich eine Fülle dieser Michelin-Produkte, um von ihnen Fotografien auf höchstem künstlerischem Niveau zu schaffen. Er trat mit diesen auf einer Sammelausstellung mit seinen Kommilitonen der Ecole des Beaux Arts ins Rampenlicht der Öffentlichkeit.

Auf dieser Vernissage trifft er eine bildhübsche Russin, die bei dem Reifenkonzern Michelin in der Werbeabteilung tätig ist. Es entsteht nun das Projekt Menschen in ihrer Arbeitswelt zu porträtieren. Dabei schlägt er einen weiten Bogen von dem Bildnis eines Gastronomen beim Ausschank bis hin zu Bill Gates, der dargestellt wird, wie er über die Zukunft der Computerwelt nachdenkt.

In diesem Zusammenhang entsteht die Idee, das Vorwort zu dem Ausstellungskatalog von dem weltweit bekannten und kontrovers diskutierten Schriftsteller Michel Houellebecq schreiben zu lassen. Eine erste Begegnung zwischen diesen introvertierten Persönlichkeiten findet im Hause von dem Autor von "Elementarteilchen" in Irland statt.

Jed Martin gelingt es tatsächlich Houellebecq in sein Projekt einzubinden. Auch gelingt es dem zeitgenössischen Künstler, den Schriftsteller zu überreden, ihn mithilfe von einer großen Anzahl von Fotografien zu porträtieren, eine Aktion, der dieser nur sehr zögerlich zustimmt.

Neben der finanziellen Vergütung für die einleitenden Worte im Ausstellungskatalog wird dieses Porträt einen beträchtlichen Wert in Millionenhöhe erreichen. Dazu trägt nicht zuletzt der großartige Erfolg dieser Ausstellung bei. Der Marktwert der Bilder Jed Martins springt in astronomische Höhen...


Der Roman nimmt einen Verlauf, den man, wenn man die Werke des französischen Intellektuellen kennt, nicht vermutet. Einen Houellebecq dieser Machart hat es bislang nicht gegeben. War es dem Autor in seinen früheren Romanen ein Anliegen, gesellschaftliche Kritik anzubringen, indem er die Zustände, in denen sich gesellschaftliche Normen in gehobenen Schichten entwickelt haben, grell nachzeichnete, so erleben wir in diesem Buch einen anderen Houellebecq. Zwar hat das düstere und fatalistische Ansinnen den Autor weiterhin im Griff, doch es gibt Anzeichen, dass der bekennende Nihilist einen Anflug von Altersnachsicht entwickelt hat.


Fast scheint es, dass der Verfasser des Romans sich mit seiner Romanfigur Jed Martin in eine Art Deckungsgleichheit begeben hat und sich gedanklich deshalb ad absurdum führt, weil er eine Möglichkeit auszuloten versucht, wie ein Leben in der fortgeschrittenen Altersstufe bis hin zum Ende gelebt werden könnte. Eine interessante Variante, die Houellebecq für sich skizziert, von der er weiß, dass sie jedoch nie eintreten wird.


Man darf gespannt sein, ob in weiteren Romanen neue Möglichkeiten des alternden Intellektuellen uns zu neuen Nachdenklichkeiten bringen werden. Der Interessenbogen bleibt weiterhin gespannt.
Sehr empfehlenswert.


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