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Rezension: Boca do Inferno: Aleister Crowleys Verschwinden in Portugal (Gebundene Ausgabe)

Dr. Steffen Dix übersetze und editierte im deutschsprachigen Raum einige der wichtigsten Werke des portugiesischen Dichters, Literaturkritikers und Essayisten Fernando Pessoa und befasst sich derzeit mit dessen philosophischen und kunsttheoretischen Fragmenten.

 Das vorliegende Buch besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil wird anhand eines Briefwechsels eine sonderbare Begegnung zwischen Fernando Pessoa und Aleister Crowley nachvollzogen. Crowley war ein englischer Magier, der im Spätsommer 1930 einige Wochen mit seiner jungen Geliebten in Portugal verbrachte und am 23. September 1930 dort unter dubiosen Umständen verschwand und zwar an einem außerhalb Lissabons gelegenen Ort, genannt: "Boca do Inferno".

 Das Verschwinden hat damals nicht nur bei der Polizei, sondern auch der internationalen Presse Aufmerksamkeit erregt. Man überlegte, ob es sich um Selbstmord, Mord oder nur eine aberwitzige Posse handelte. Im März 1932 schließlich klärte sich die Angelegenheit auf und zwar aufgrund eines Briefes den Pessoa erhielt.-- Wie Dr. Dix berichtet, wurden im Nachlass des Dichters nicht nur der Briefwechsel, sondern zudem einige Fragmente gefunden, bei dem es sich um einen Ermittlungsbericht eines englischen Privatdetektivs handelte. Diese Dokumente wurden seitens Dr. Dix in eine weitgehend chronologische Abfolge gebracht und sind Gegenstand im zweiten Teil dieses Buches.

Dr. Dix stellt die Geschichte erstmals mittels erzählenden Überleitungen vor in Dokumenten vor, beginnend mit einem Präludium, dem man auch Näheres über Aleister Crowley erfahren kann, der in der heutigen europäischen Kulturgeschichte als eine wohl eher zwielichtige Person betrachtet wird. Wie man erfährt, kannte man Crowley „als hinreichend begabten, aber exzentrischen Dichter und Schriftsteller, als hervorragenden Schachspieler und beachtlichen Alpinisten ebenso, wie er durch seine Mitgliedschaft in verschiedenen Geheimordnen, seine sexuelle Magie mit Partnern beiderlei Geschlechts und seinen respektablen Drogenkonsum berüchtigt war." Sein Vermögen hatte er während seiner vielen Reisen fast vollständig aufgebraucht. Er verstarb 1947 im Alter von 72 Jahren mit den Worten "Ich bin verblüfft".

Diese und viele andere Infos liest man im Vorfeld, bevor man sich auf die Briefe und den Ermittlungsbericht einlassen kann und neben der spannenden Geschichte schlussendlich eine gewisse Vorstellung davon erhält, 
welch Geistes Kind Pessoa war. 

Empfehlenswert. 

Rezension: Die Hure Babylon - Ulf Schiewe

Der Autor Ulf Schiewe hat mit "Die Hure Babylon" seinen dritten historischen Roman vorgelegt.

Bevor ich diesen farbenprächtigen, durchaus nicht unkritischen Roman über den 2. Kreuzzug las, habe ich zunächst den Anhang studiert, sowohl die aufschlussreichen Anmerkungen des Autors als auch das Glossar und das Personenverzeichnis, in dem er die wichtigsten historischen Personen, die im Buch eine Rolle spielen, skizziert und schließlich auch die fikitiven Personen als solche outet.

Arnault de Montalban, der tapfere und dabei äußerst resiliente Protagonist, ist eine Phantasiefigur des Autors. Dieser Adelige ist  im Roman der Geliebte von Ermengarda, der Vizegräfin von Narbona (historische Person, 1127-1197). 

Die Romanhandlung beginnt mit der schönen Romanze der beiden, die eine ehebrecherischer Beziehung zueinander pflegen. Zwei Fehlgeburten Ermengardas lassen Arnault zu der Überzeugung kommen, dass dies eine Strafe Gottes sei. Er entschließt sich Buße zu tun und am 2. Kreuzzug teilzunehmen.

Der berühmte Abt Bernhard von Clairvaux predigt in jener Zeit voller Eifer vom Verlust der Christenstadt Edessa und von den Nöten der Christen in Qutremer, auch wettert er gegen die Türken, die sich erhoben hätten, um das Heilige Land zu bedrohen, (vgl.: S.28). Schiewe zeigt deutlich wie sehr Clairvaux das Volk aufhetzte, indem er die "Türkenbrut" als die Mächte des Satans und als Feinde Gottes bezeichnete, die die ganze Stadt Edessa entvölkert habe, (vgl.: S. 28).

Der Leser wird mit dem Protagonisten und all den anderen vielschichtig angelegten Romanfiguren mit auf den Kreuzzug genommen, erlebt die beschwerliche Reise in das Heilige Land und erhält im Rahmen des abenteuerlichen Handlungsgeschehens immer wieder auch Hintergrundwissen. 1146 entschied sich der französische König Ludwig VII. am Kreuzzug teilzunehmen, auch der deutsche König Konrad der III. war mit von der Partie, die im Jahr 1147 begann und zwei Jahre später ihr unerquickliches Ende nahm.

Schiewe zeigt in seinem Roman, wie die arglosen Christen seitens der Kirchenfürsten und der weltlichen Herrscher durch manipulative Reden gewissermaßen in den Krieg hineingetrieben wurden, wie man  die Kreuzzugteilnehmer gezielt aus Eigeninteresse belog und wie diese verblendeten Menschen zu Tausenden dann sinnlos starben.

Auch Frauen waren bei den Kreuzzügen dabei. Sie mussten damit rechnen, vielfach vergewaltigt zu werden. Schiewe macht das am Beispiel eines  peinigenden Tempelritters fest, dessen Schlechtigkeit ihn als Ausgeburt des Teufels und nicht als jenen auswiesen als das er sich in seinem Gewand ausgab.

Natürlich erlebt man auch Königin Alinor von Frankreich (den meisten wohl eher als Eleonore von Aquitanien bekannt) in diesem Roman. Offenbar hatte sie ein Verhältnis mit ihrem Onkel Raymond in Antiochia. In diesem Zusammenhang bleibt auch die Ehekrise mit Ludwig in Syrien im Erzählgeschehen nicht ausgespart und natürlich liest man auch, welchen Verlauf der Kreuzzug in der Folge nahm.

Immer wieder ist vom Aderlass an Menschenleben die Rede und dass viele Kreuzugteilnehmer an Lungen- und Fleckfieber, an Unterernährung und Erschöpfung starben, (vgl.: S.290). Es bleibt auch nicht unerwähnt, dass der Feldzug, der mit so viel Begeisterung begann, schlecht geplant war und noch schlechter geführt wurde. Man liest von den Seldschuken, die zuschlugen, wie es ihnen gefiel, auch dass die eigenen Anführer sich stritten, grobe Fehler machten und deshalb viele ihr Leben lassen mussten, (vgl.: S.301): mit einem Wort Schiewe hat keinen Lobgesang den 2. Kreuzzug  angestimmt. 

Durch die fiktiven Personen gelingt es dem Autor, all das, was man in Geschichtsbüchern über diesen Kreuzzug liest, mit Leben zu füllen. Der Tod und die Gräueltaten erhalten ein Gesicht und werden greifbar. Menschliche Abgründe, aber auch Mitgefühl und Liebe sind ein Thema für Schiewe, doch vor allem die Enttäuschung derjenigen, die ausgezogen waren, um für Gott zu kämpfen und Edessa zu befreien, damit die christlichen Pilger unbelästigt das Heilige Land zu besuchen vermochten.  Die Kreuzzügler mussten zusehen, wie es der Obrigkeit schließlich unwichtig wurde, Edessa für den Glauben zu verteidigen und  wie  die Anführer das halbe Heer im Stich ließen, aufgrund ihrer Eigeninteressen.

Man liest von den Illusionen, die zerbrachen und von mentalen Veränderungen derer, die überlebten, aber auch von der unzerstörbaren Zuversicht des Protagonisten, der selbst schwer verletzt in einem stinkenden Verlies die Hoffnung nicht aufgab, weil sein Herz voller Liebe zu Ermengarda war, die er unbedingt wiedersehen wollte... 

 Ein berührender Roman, der aufzeigt, dass es keinen Grund gibt, Kreuzzüge zu glorifizieren, aber auch dass Glaube, Liebe und Hoffnung die drei wirklichen göttlichen Tugenden sind, auf die man bauen kann.

 Empfehlenswert.

Links zu  Ulf Schiewe: www.ulfschiewe.de
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Rezension: Briefe an Poseidon - Cees Nooteboom

"Je mehr wir schauen, um so mehr wissen wir. Je mehr wir wissen, um so größer wird das Rätsel."

Der von mir sehr geschätzte niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom wartet in diesem Herbst erneut mit sehr fantasiereichen, sprachlich begnadeten Texten auf, mittels denen er seinen Lesern Einblicke in seinen hochgebildeten Kopf gewährt.

Der das Meer liebende, weitgereiste Niederländer schreibt dem griechischen Meeresgott Poseidon 23 Briefe, die begleitet werden von unzähligen essayistischen Betrachtungen zu Gelesenem, Gesehenem und Erlebten. Interessant dabei sind die Zusammenhänge und Verknüpfungen, die der Autor voller sprachlicher Raffinesse herstellt

Berührt hat mich, dass Nooteboom gleich zu Beginn den von mir ebenfalls sehr geschätzten Schriftsteller Sándor Márai erwähnt und von dessen Selbstmord im hohen Alter berichtet. Márai war Kosmopolit, ganz ähnlich wie Nooteboom. Der Ungar las zu Ende seines Lebens Aristoteles, den griechischen Philosophen, von dem ich gerne wissen würde, wie er über die Briefe an Poseidon denkt. Er kann es mir nicht sagen, denn er lebt nur noch in seinen Büchern. Während ich mir dies bewusst mache, fallen mir sofort wieder die Eingangssätze aus einem der Essays ein. Hier fragt der Nooteboom: "Ist einer, der bereits mehrere Tausend Jahre tot ist, genau so tot wie ein im Vorjahr verstorbener? Gibt es eine Hierarchie im Totenreich, wonach ein älterer Toter einen anderen Status hat als ein Neuankömmling, der noch nicht von der Ewigkeit berührt worden ist, sondern noch nach Zeit riecht, nach Leben?" (S.69). Eine interessante Frage, nicht nur bezogen auf Aristoteles, die uns nicht beantwortet werden kann, weder von Poseidon, noch von einem anderen Gott. Doch wenn die Ewigkeit kein gedankliches Konstrukt der Menschen ist, dann dürfen wir hoffen, dass es dort keine Hierarchien gibt, alles frei von Zeitmustern nebeneinander existiert, ganz ähnlich, wie die vielen Erinnerungen Nootebooms, die er spielerisch in seine Texte einfließen lässt und die sich dort zu etwas Neuem gestalten, das den Leser in den Bann zieht.

 Die fiktiven Briefe an Poseidon bezeugen die umfangreichen Kenntnisse Nootebooms im Hinblick auf die griechische Mythologie, während er in den Essays dazwischen sich u.a. in seinen Erinnerungen im Prado aufhält und sich dabei Gedanken über ein Gemälde von Peter Snayers macht. Das Motiv stammt aus dem Jahre 1641. Sieht der Betrachter nun Geschichte oder Kunst oder beides? Der Essay endet mit dem Satz: "Aber er weiß nichts von dem Atem, der an jenem Morgen aus unseren Mündern drang, nichts von dem Geschrei der Krähen, von dem Hufen der Pferde auf dem gefrorenen Boden." Ja, nicht alle sinnlichen Wahrnehmungen können über die Jahrhunderte hinweg, sei es durch Bilder, Musik oder Bücher transportiert werden. Es bleibt immer etwas in der Vergangenheit zurück als unentschlüsselbares Geheimnis, etwas, was zum Schreiben inspiriert und dem Dichter oder Schriftsteller künstlerische Freiheiten lässt

Nooteboom erzählt Poseidon von einer Zeichnung Leonardo da Vincis, fragt ihn, ob die Götter lesen und ob er Seneca kenne. Hätte der Schriftsteller hier nicht besser den römischen Gott des Meeres "Neptun" gefragt? Vielleicht hätte dieser bereitwilliger geantwortet. Der Niederländer berichtet Poseidon auch von Kafka, der ein bestimmtes Bild von dem griechischen Gott prägte, das wohl über jenes von Homer gesiegt hat und fragt ihn wenig später, wie langsam ein Ertrinkender in die Tiefe des Meeres sinke und ab wann auf ihn seitens der Tiere Jagd gemacht werde. Solche Fragen müsste Poseidon spontan beantworten können, doch er schweigt.

 Ganz sicher ist sich Nooteboom nicht, ob dieser Gott nur eine Kopfgeburt unserer Vorfahren war oder ob er nicht eines Morgens auf einem Felsen dessen Dreizack findet. Doch was dann? Wird es dann ein weiteres Buch geben mit dem Titel "Briefe von Poseidon"? Als Leserin wünsche ich mir dies natürlich sehr.

 Ein wunderbares Buch eines hinreißenden Erzählers.

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Rezension:Das dreizehnte Kapitel (Gebundene Ausgabe)

Martin Walser hat mit seinem Briefroman "Das dreizehnte Kapitel" keinen Liebesroman, sondern einen Roman über die Liebe vorgelegt. Er nimmt dabei Bezug auf den 1. Brief der Korinther, Kapitel 13, dem Hohelied der Liebe und zeigt anhand seiner Beziehungskonstruktionen, in welcher der Beziehungen man von wahrer Liebe sprechen kann. 

Der wortgewaltige, selbstverliebte Schriftsteller Basil Schlupp ist zu einem Festessen beim Bundespräsidenten auf Schloss Bellevue eingeladen und zwar gemeinsam mit seiner Ehefrau Iris. Bei Tisch hat er nur Augen für Maja Schneilin, einer Professorin für evangelische Theologie. Sie ist auch verheiratet und ebenfalls mit ihrem ehelichen Pendant zugegen.

Basil, der verbale Verführer, setzt sich in Szene, um die Aufmerksamkeit der blitzgescheiten und dazu offenbar noch optisch attraktiven Theologin zu erringen, doch diese nimmt ihn nicht zur Kenntnis. Stattdessen konzentriert sie sich höflich auf ihren Tischherrn. Bei ihm handelt es sich um einen Hirnchirurgen, der sie pausenlos mit allerlei Späßchen zu erheitern sucht. 

Der Ich-Erzähler Basil Schlupp beschreibt die Veranstaltung auf Bellevue haarklein im Vorspann zu dem anschließend dargebotenen Briefwechsel und erweist sich hier als gekonnter Chirurg der Szenerie. Wortreich seziert er die Veranstaltung und lässt den Leser an seinen Eindrücken, die nicht frei von Ironie sind, teilhaben.

Der selbstverliebte Gockel pirscht sich im ersten Brief an Maja, diese arglos stimmend, als "verheirateter Mann" heran. Dabei sucht er den gedanklichen Austausch mit ihr und zwar in erster Linie, um sie für sich einzunehmen. Er kann es offenbar nicht ertragen, nicht gesehen zu werden und leidet daran, von Maja übersehen worden zu sein. Seine Bemerkung "Ich sah Sie und war verloren", (Zitat S. 183), sollte man m.E. nicht als Liebeserklärung an Maja auffassen, sondern als Beschreibung eines Gefühlszustandes, den Basil hatte, als ihm nicht die nötige Aufmerksamkeit gezollt wurde. 

Der Schriftsteller beginnt in seinem Briefwechsel sogleich Begebenheiten aus seiner Ehe auszuplaudern und mittels dieses Verrats seine Briefpartnerin allmählich, scheinbar für sich zu gewinnen sowie ferner die Theologin zu analogem Verrat zu motivieren. Das macht er wirklich gekonnt. Der Verrat und die damit verbundene Erhöhung des Gegenübers schafft die Nähe, die der Wortverführungskünstler braucht. Dass er sich an Maja die Zähne ausbeißen wird, ahnt er noch nicht. 

 Natürlich findet der Dialog, der sich zwischen beiden Intellektuellen entspinnt, auf höchstem Niveau statt. Maja bekennt hier u.a. dass eine Empfindung, die religiös genannt werden kann, das Erlebnis vollkommener Geschichtslosigkeit sei. Mit einem Wort, das reine Hier und Jetzt. Ansonsten nichts, (vgl.:S.75). Demnach ist die Liebe für die Theologin eine religiöse Empfindung. Genau diese aber stellt sich bei den beiden Briefeschreibern zueinander nicht ein. 

Zwar sagen sie einander, was sie keinem Dritten sagen können und was sie ungesagt jedoch nicht zu ertragen in der Lage sind, analysiert Maja messerscharf, doch daraus ergibt sich noch lange nicht die seelische Nähe, die Liebe möglich macht. Die Nähe bleibt eine rein gedankliche.

Motiv des Briefwechsels ist für Basil m.E. in erster Linie eine seelische Verletzung, die durch das Verhalten seiner Gattin Iris herbeigeführt wurde, durch die er sich verraten. Basil verrät insofern seine Ehe, weil er sich von Iris verraten fühlt. Das aber wagt er nicht zu sagen und schon gar nicht sich einzugestehen. Der Katholik beichtet der evangelischen Theologin den entdeckten Verrat, den seine Frau an ihm immer wieder begeht, indem sie sich mit ihrer alten Liebe, die mittlerweile schwerkrank ist, stets aufs Neue trifft und dieser Beziehung offenbar ein Buch zu widmen sucht, das den Titel "Das 13. Kapitel" trägt. Immer dann, wenn eine Begegnung mit ihrer alten Liebe stattfand, spricht sie einige Tage nichts mit Basil, tut Buße, wenn man so will, verordnet sich Schweigephasen, um sich dann erneut in ihre Ehe einbringen zu können. Für Iris ist die Liebe demnach ein religiöses Gefühl. 

Sie findet offenbar bei ihrer alten Liebe etwas jenseits allem Geschlechtlichen, was Basil nicht zu geben vermag, denn der Schriftsteller kann zwar prophetisch reden, weiß viele Geheimnisse, hat Erkenntnis, etc., besitzt aber keine erkennbare Liebesfähigkeit und ist klug genug, um zu wissen, dass ihm damit alles fehlt. Maja, auch Iris verfügen über die höheren Gnadengaben, von denen im Hohelied gesprochen wird. Sie ertragen alles, glauben alles, hoffen alles und halten allem stand. 

Der Leser wünscht Basil, dass auch ihm die höheren Gnadengaben zu Teil werden. Dazu ist es aber notwendig, sich seiner Eitelkeiten zu entledigen. Solange ihm dies nicht gelingt, bleiben seine Buchstabenketten Hängebrücken über einem Abgrund namens Wirklichkeit. In seiner Wirklichkeit gibt es nur Gedanken an die Liebe, doch Basil ist leider nicht erfüllt von ihr. Insofern ist er eine tragische Gestalt. Empfehlenswert. 

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Rezension:Skidoo: Meine Reise durch die Geisterstädte des Wilden Westens (Gebundene Ausgabe)

Der in der Normandie geborene Schriftsteller lebt in Olten in der Schweiz. Auf seine Homepage zitiert er eingangs die F.A.Z., die über ihn schreibt, dass ihn ganz alte Themen interessieren: die Verheißungen und Hindernisse des Glücks.

Damit hat die F.A.Z nicht Unrecht, auch was das neue, originell aufgemachte Büchlein anbelangt. Hier erzählt Capus u.a. von Menschen, in vergangenen Jahrhunderten in die U.S.A ausgewandert sind und was sie dort erlebten. Es sind Geschichten fernab der Räuberpistolen, die uns in Hollywood-Western einst präsentiert wurden.

So liest man viele Passagen, die nachdenklich stimmen, wie etwa: "Ich stelle mir den Schrecken der ersten Goldgräber von 1849 vor, die noch nie im Leben einen leibhaftigen Bären gesehen hatten, weil sie wenige Monate zuvor noch Straßenbahnschaffner in Nürnberg oder Polizeiwachmeister in Paderborn oder Bauernknecht in Niederbibb waren'.." und hat Gelegenheit alte Bilder zu betrachten von den Menschen, von denen der Autor berichtet.

Besonders nachdenklich hat mich der Bericht über die Hopi gemacht, die mittels einer kleinen Lüge im 16. Jahrhundert, sich weitere zweihundertfünfunddreißig Jahre Ruhe vor den spanischen Invasoren verschafften. Über diese Geschichte ließe sich lange diskutieren.


Die Verheißungen und Hindernisse des Glücks haben in den Siedlerjahren im Wilden Westen Menschen, zu dem werden lassen, was in ihnen steckte. Vielleicht ist es notwendig, an seine Grenzen zu gehen, um den Kern seines Wesens in Erfahrung zu bringen. Wozu sind wir in der Lage und was treibt uns an?

Empfehlenswert.


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Rezension: Joano Strasser: Die schönste Zeit des Lebens (Gebundene Ausgabe)

"Der Traum vom Weggehen, vom leichthändigen Abschiednehmen. Man tritt hinaus aus dem Bannkreis der Nacht in den hellen Tag alle Dinge glänzen, als wären sie soeben erst aus Dunst und Nebel ins Leben gerufen worden." (Zitat S. 95)

Autor dieses Romans ist der Präsident des deutschen P.E.N., Dr. Johano Strasser. Ich habe lange kein Buch mehr gelesen, das mich so gefangen genommen hat. Die Handlung ist gesellschaftskritisch angelegt und mit vielen lebensklugen Überlegungen angereichert, wie sie nur ein in die Jahre gekommener Philosoph zu Papier bringen kann.

Protagonist des Romans ist der Zivildienstleistende Robert, der noch nicht genau weiß, was oder ob er überhaupt studieren soll. Der junge Mann ist der Sohn aus unvermögendem Hause. Seine nicht akademisch vorgebildeten Eltern können ihm keine Hilfestellung bei der Berufswahl geben. Roberts Vater ist aufgrund eines Betriebsunfalls in die Frühpension geschickt worden und leidet, weil er sich aufs Abstellgleis geschoben fühlt. Er vermutet gar, man habe seitens der Firmenleitung den Unfall bewusst herbeigeführt, um ihn loszuwerden, noch vor der drohenden Entlassungswelle. Seither macht er sich im nicht abbezahlten Eigenheim nützlich und lebt in ständiger Angst, dass die dafür monatlich notwendigen Raten nicht aufgebracht werden können.

Roberts Mutter geht putzen, um die finanziellen Löcher in der kleinen Familie zu stopfen. Dabei hofft sie, dass es wieder anders wird. Ihr Sohn, der die kleinbürgerliche Enge, die Trostlosigkeit und die Spannungen im Elternhaus schon lange nicht mehr ertragen kann, ist noch nicht ausgezogen, weil er seiner Mutter die letzte Hoffnung, die er letztlich ist, nicht nehmen, möchte. Robert fühlt sich gefangen und sehnt sich nach Freiheit.

Man lernt den jungen Mann als sehr nachdenklich und hilfsbereit kennen und ist erschüttert, von dem was er im Rahmen seines Zivildienstes bei der Betreuung alter Menschen mitunter erleben muss. Über diese Erlebnisse und Erfahrungen kann er mit keinem sprechen und muss dies alles mit sich selbst ausmachen. Vielleicht aber fördert genau das seinen frühzeitigen Reifeprozess.

Seine Freunde sind anders als er selbst. Durch einen dieser Freunde gar gerät er in eine Situation, die ihn in große Gewissenskonflikte bringt. Diesbezüglich erlaube ich mir eine kleine Passage aus dem Roman zu zitieren: "Das Böse ist etwas Dunkles, Drohendes, das um uns herum immer anwesend ist, das plötzlich und ohne Vorwarnung über uns herfällt, eine übermächtige, betäubende Gewalt. Man kann ihm eine Zeitlang aus dem Weg gehen, sich davor ganz schützen kann man nicht. Am besten ist es, man macht sich klein, um nicht aufzufallen, um möglichst unsichtbar zu sein. Und wenn es trotzdem über einen hereinbricht, muss man es über sich ergehen lassen und warten bis es vorbei ist." (Zitat: S. 78).

Dass das Leben Böses und Gutes für jeden von uns bereithält, lernt der Protagonist auf vielfältige Weise schon in seinen jungen Jahren zu begreifen. Zu den positiven Erfahrungen zählt seine erwiderte Verliebtheit in Fari, eine Schönheit persischer Herkunft, die als Krankenschwester arbeitet, jedoch noch weitaus mehr seine Bekanntschaft mit der alten hochgebildeten Jüdin Frau Sternheim, die er als Zivildienstleistender betreut und ihr aus ihren Büchern vorliest.
Durch diese liebenswerte Dame lernt er nicht nur Rilke und andere Dichter sowie Schriftsteller schätzen, sondern auch zu erahnen, was Seelenverwandtschaft bedeutet. Ein solche nämlich bindet ihn an Frau Sternheim, die in ihm auch einen Sohn sieht und ihm nicht nur kluge Ratschläge mit auf seinen Lebensweg gibt. Eine wichtige Erkenntnis ihres Lebens besteht darin, "dass es die Liebe ist, die uns zu uns selber führt: Die Liebe zu den Menschen, zu den Dingen, zur Natur, zur Literatur..."(Zitat: S. 185).

Man freut sich, dass die vermittelten Lebensweisheiten der alten Jüdin bei Robert auf fruchtbaren Boden fallen und er in der Lage ist, dort zu verzeihen, wo andere möglicherweise nicht dazu in der Lage sind. Ein Mensch mit einem solchen Potential an Liebesfähigkeit wird sich so schnell von dem Bösen, dass das Leben für uns alle bereit hält, nicht erschüttern lassen.

Wenn es eine Botschaft in diesem Roman gibt, dann diese, dass wir alle lieben lernen und vergeben sollten.

Empfehlenswert.

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Rezension:Das Alphabet der kleinen Freuden (Gebundene Ausgabe)

Das erste Buch von Max Kruse habe ich vor gut zwei Jahren rezensiert. Es handelte sich hierbei um Die Tage mit Jantien, einen sehr schönen Roman, den ich gerne gelesen habe. Heute nun, das bemerkenswerte Büchlein "Das Alphabet der kleinen Freuden".

Ich bewundere die Lebensklugheit des über 90 jährigen Autors Max Kruse, dessen Eltern die Puppenkünstlerin Käthe Kruse und der Bildhauer Max Kruse waren. Der hochgeehrte Schriftsteller schreibt in seinem Buch über all jene Dinge, die bei uns Menschen Freude auslösen.

Seine Themen sind: Anfangen, Briefe, Charme, Denken, Erinnerung, Freundschaft, Gedichte, Hoffnung, Interesse, Jugend, Küssen, Lesen, Morgen, Nachgeben, Opfern, Pfeifen, Quatschen, Reisen, Sehen, Schweigen, Trinken, Unterhaltung, Versuchen, Wünschen und Zärtlichkeit.

Kruse lässt uns wissen, dass Leser nach seinen Erfahrungen mit fortschreitendem Alter bevorzugt Tagebücher, Memoiren und Briefe bedeutender Menschen lesen, möglicherweise noch lieber als Romane. Dabei hebt er hervor, dass im Brief, der an ein Gegenüber gerichtet ist, sich die Menschen am persönlichsten ausdrücken, mit dem gesamten Reichtum ihres Herzens, mitunter nur in wenigen Worten, (vgl.: S.11). Er reflektiert die Situation, in der man Briefe schreibt und weshalb man sich schriftlich sogar an ein Gegenüber richtet, das mitunter Wand an Wand mit uns wohnt.

Ich kannte einen Menschen, der sehr viel Wert auf die Erinnerung legte. Kruse meint Erinnerung vermöge uns zu helfen, eine schlimme Zeit zu überstehen, weil sie in der Lage sei, trübe Tage zu erhellen. Damit hat er nicht Unrecht. Wer sich in der Vergangenheit bewegt, hat nichts wirklich verloren, sondern gewinnt täglich alles neu. Doch wie ist es mit dem Jetzt? Beginnt man es möglicherweise nicht wirklich wahrzunehmen, wenn man seinen Blick allzu sehr ins Gestern lenkt?

Sehr gut gefallen haben mir Kruses Gedanken zur Freundschaft. Es stimmt, ein Leben ohne starke Freundschaft ist arm und zwar arm vor allem am eigenen Herzen, an der Liebes- und Ausstrahlungsfähigkeit. Wenn man schon ein wenig älter ist, dann erkennt man, dass Freundschaft beinahe mehr ist als Liebe, wie der Autor so treffend bemerkt. Es fehle das Begehren, der Anspruch, doch die höchste Form der Liebe sei jene, wenn die Liebenden auch Freunde geworden sind. Das kommt vor. Dies kann ich bestätigen. Bejahen kann ich auch, dass dann das Beste gewonnen ist.

Beim Lesen der vielen tiefsinnigen Gedanken, wird mir mal wieder klar, wie wichtig es besonders in jungen Jahren ist, Menschen mit Lebenserfahrung zuzuhören und von ihnen zu lernen.

Lassen Sie bitte nachstehende Sentenz Max Kruses auf sich wirken und ziehen Ihre Schlüsse daraus:

"Hoffnung ist das einzige wirklich sichere Heilmittel bei Niedergeschlagenheit, bei Depressionen und Traurigkeit, deswegen sollte man sich darin üben zu hoffen. Lernt hoffen!" (Zitat: S.37)

Empfehlenswert.
 
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Rezension:Die schönen Tage von Aranjuez: Ein Sommerdialog (Taschenbuch)

Peter Handke lässt eine Frau und einen Mann im vorliegenden Text miteinander plaudern. Diese Plauderei findet an einem schönen Sommertag auf einer Terrasse statt. Ein sachter Sommerwind rhythmisiert die Szenerie. Die beiden Personen soll man sich zeitlos denken und offenbar nicht grundlos, wie der Dialog deutlich macht.Gespräche dieser Art gibt es sicher seit Anbeginn der Zeiten.


 Ein Mann berichtet von seinen Erkundungen der Welt, in diesem Fall von einer Reise nach Aranjuez und von seinen Beobachtungen, die er macht, während er auf der Terrasse sitzt. Der Welterklärer und alte Jäger bekundet fast nebenbei "Es war ein Falke. Die Bussarde und Milane kreisen hoch über den Bäumen. Es sind die Falken, die durch die Wälder schießen wie Pfeile, einmal oben zwischen den Kronen, einmal unten zwischen den Stämmen. Nicht bloß einmal bin ich auf einen toten Falken gestoßen, der in einen Baum geknallt war. Ein kranker? Zu alt? Zu jung?- Deine erste Nacht mit einem Mann?"(Zitat: S. 8)


Wer Männer kennt, wird lächeln, die alten Jäger beobachten Frauen mit dem gleichen Blick wie Falken ihre Beute und erkunden im Gespräch deren sexuelle Vita zumeist recht rasch, um sich ein Bild zu machen, wie sie vorgehen können. Dabei legt Handkes Adam in diesem Sommerdialog Wert darauf, von Eva beim Erzählen von keinen Problemen behelligt zu werden. Typisch.

Die Frau berichtet, macht ihm klar, dass sie stets nur an Männern interessiert war, denen der Blick des Jägers fehlte. Sie sagt "Zuallererst hatte mich an ihnen jeweils etwas angezogen, was fehlte- was nicht da war(...)Ihnen fehlte und das zog mich zu ihnen und gab mir Vertrauen, jener Blick, der sagte:"Ich will dich. Ich will dich haben. Ich kann dich haben. Wie ich alle Frauen haben kann. Auch dich. Sogar dich!". Es mangelte ihnen zuinnerst, der Blick des Jägers, oder Wilderes..."(Zitat: S. 44). Für die Frau hieß Liebe in ihrer Lebensrückschau "Ergriffenheit von diesen zerbrechlichen Männern, von ihnen allen." (Zitat: S. 47). Dabei hielt diese Frau sich nicht der Liebe wert, weil sie sich als Frau als Mangel begriffen hat, (vgl.: S.49).

Die Frau haderte demnach ihr Leben lang mit sich und ihrem Umfeld. Fast meint man, dass sie der Generation Handkes angehört, eine Frau des Umbruchs ist, die die Bedeutung von Liebe für sich neu erkennen und definieren muss. Ihr Blick auf die Männer treibt sie ins Alleinsein "Frau eines konstanten Kummers, die ich war damals. Die Gegenwart eines Mannes, von Zeit zu Zeit:ja. Aber die Gegenwart eines Mannes war nie die Lösung. Und ja: der Körper des Mannes, sein Geschlecht, wenn`s dir beliebt, war immer eine Überraschung, immer- aber nie eine gute. Ein Gleichgewicht, und so viel mehr als bloß ein Ausgleich, ein Gegengewicht zur unguten Überraschung, und unendlich mehr als bloß ein Gegengewicht, hätte sich eingestellt durch die Liebe." (Zitat.: S.55)

Zu dieser Liebe ist diese Eva nicht fähig gewesen, möglicherweise, weil sie sich selbst noch nicht angenommen hatte, sich in ihrem Frausein als Mangel empfand. Solange Frauen sich als nicht gleichwertig begreifen, kann es in Aranjuez keine Sommerresidenz mehr für einen König und eine Königin geben. Eine Zukunft für sie in Gemeinsamkeit wird es erst dann möglich sein, wenn Adam und Eva sich in Liebe zueinander wenden und wirklich nur dann, ansonsten ist Alleinesein angesagt.

Empfehlenswert.

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Rezension:«Sire, ich eile ...»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (Gebundene Ausgabe)

"Alles was du sagst, sollte wahr sein. Aber nicht alles was wahr ist, solltest du auch sagen." (Voltaire),

Hans Joachim Schädlich schenkt mit seiner Novelle "Sire, ich eile" seinen Lesern einen spannenden Leseabend, indem er nicht nur die Beziehung zwischen dem französischen Philosophen Voltaire und dem preußischen König Friedrich II. jeglicher Verklärung entzieht, sondern der Geliebten Voltaires, der schönen Intellektuellen Émile du Chatelet, ein ihr angemessenes Denkmal setzt.

Natürlich ist es kein Fehler im Vorfeld zur Novelle, etwas über die beiden berühmten Herren gelesen zu haben, am besten zwei Biographien, dazu noch den berühmten Briefwechsel. Aber auch ohne solche Vorinformationen wird sehr schnell klar, dass es zwischen diesem freiheitsliebenden Philosophen und dem machtorientierten preußischen König ein letztes Verständnis nicht geben konnte.

Gefallen hat mir, wie Schädlich den Spannungsbogen aufbaut und wie Friedrich zunächst um die intellektuelle Gunst Voltaires buhlt, natürlich keineswegs uneigennützig. Machtmenschen sind bekanntermaßen nicht in der Lage, uneigennützige Freundschaften zu schließen. Das Leben ist für sie ein Schachbrett, auf dem alle Figuren ihren Platz haben und entsprechend eingesetzt werden. Die Figuren haben kein Mitspracherecht, auch nicht, wenn sie Voltaire heißen.

Der Franzose ist von Anfang an skeptisch und schreibt am 16.12. 1740 "Der König von Preußen hält sich für einen ziemlich zivilisierten Mann, doch unter der dünnen Außenhaut des Ästheten liegt...die Seele eines Schlachters." (Zitat: S. 55). Dass Voltaire mit dieser Analyse Recht behielt, zeigt der Verlauf der Geschichte.

Ich werde mich hüten, die 141 Seiten umfassende Novelle hier nachzuerzählen. Man erfährt dort natürlich auch von Voltaires Schriften und davon, dass sein Freiheitsverlangen und Fortschrittsglaube der Kirche und den Staatsautoritäten selbst in Frankreich nicht angemessen erschien. Man liest von der großen Liebe zwischen ihm und Émilie, einer Frau, die die Schriften von Leibnitz und Newton las und physikalische Experimente unternahm und lt. Schädlich eine Vorläuferin von Albert Einstein war. Kant schrieb im Hinblick auf diese offenbar sehr schöne Frau: "Der Vorzug des Verstandes und der Wissenschaft setzt sie über alle übrigen ihres Geschlechtes und auch über einen großen Theil des anderen hinweg."(Zitat: S. 27). Dass diese hochintelligente, analytisch sehr befähigte Frau, die wahren Beweggründe Friedrichs zur Freundschaft mit Voltaire sehr früh schon erahnte, wundert mich nicht.


In der Novelle werden die tatsächlichen Beweggründe Friedrichs im Hinblick auf Voltaire sehr gut herausgearbeitet und man staunt keineswegs, dass Friedrich seinen "Grammatiker" Voltaire nur eine Zeitlang mit der "königlichen Samtpfote" streichelte, jene Samtpfote, die wie Schädlich so treffend bemerkt, eine Tigertatze war, deren Hieb auch Voltaire zerschmettern konnte.

Zerschmettert hat Friedrich Voltaire letztlich nicht, doch mithin stellte sich alles anders dar als Voltaire aufgrund der brieflichen Umwerbungen des preußischen Königs im Vorfeld hat hoffen dürfen. Aber lesen Sie bitte selbst....

Am Ende der Novelle wartet der Autor mit umfangreichem Quellenmaterial auf und dokumentiert damit, dass er seinen Lesern nichts vom "Pferd" erzählt hat, was aber keineswegs heißen soll, dass Schädlich sich die Sentenz Voltaires, die Sie der Kopfzeile meiner Rezension entnehmen können, beim Schreiben nicht in ihrer Gesamtheit zu Herzen genommen hat.

Empfehlenswert.
 
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Rezension:30 Glücksfälle der Weltliteratur (Gebundene Ausgabe)

Gestern Abend hatte ich Gelegenheit im Literaturhaus in Frankfurt im Rahmen der Veranstaltung "Streitfall- Autoren in der Kontroverse", Erhellendes zu Tilmann Spenglers spannend zu lesendem Buch "Wahr muss es sein, sonst könnte ich es nicht erzählen", seitens des Autors und der Mitdiskutanten auf dem Podium zu hören. Das Buch hatte ich die Vortage ausführlich gelesen, um dem Redefluss der Diskussionsteilnehmer besser folgen zu können.

Nicht unerwähnt möchte ich dabei lassen, dass Tilman Spengler, ein hochironischer Zeitgenosse mit trockenem Humor ist, der mich aufgrund seiner umfassenden Bildung, die alles andere als bildungsbürgerlich daherkommt, beeindruckt. Der promovierte Sinologe hat übrigens am Max-Planck-Institut für Sozialwissenschaften sowie an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften geforscht.

Seinem Buch liegen fünfzehnminütige Fernsehsendungen des BR-Alpha zugrunde, die ich leider bislang noch nicht gesehen habe. Dort versucht Spengler offenbar jeden Montagabend einem, wie er im Vorwort schreibt, "erinnerungswilligen Publikum", ein paar Glücksfälle der Literatur ins Gedächtnis zu rufen. Im Buch wird eine Vielzahl der Glücksfälle wiedergegeben. Geordnet geht es dabei tatsächlich nicht zu. Das allerdings gefällt mir gerade.

Tilmann Spengler begreift sich bei seinen Autoren- und Buchvorstellungen, in denen er stets sehr viel Anekdotisches über die Autoren einfließen lässt, als "Schwungbursche" für Literatur. Er möchte durch seine Essays Menschen zum Wiederlesen motivieren, wobei sein Buch weit mehr darstellt als eine Lesehilfe, denn es ist für sich genommen bereits ein erzählerisches Highlight.

Der am Starnberger See lebende "Schwungbursche" macht neugierig auf:

Miguel de Cervantes" und "Don Quijote von der Mancha", Emily Bronte und "Sturmhöhe", Rainer Maria Rilke und "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", Virginia Woolf und "Mrs. Dalloway", Jonathan Swift und "Gullivers Reisen", Molière und "Der eingebildete Kranke", Arthur Schnitzler und "Sterben", "Leutnant Gustl" sowie "Reigen", Émile Zola und "Die Rougon-Macquart", Lew Tolstoi und "Kindheit und Jugend", "Krieg und Frieden" sowie "Anna Karenina", Marcel Proust und "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", Hermann Melville und "Mobby Dick", "Bartleby der Schreiber", Nikolai Gogol und "Der Revisor", "Die Toten Seelen", Theodor Fontane und "Effi Briest", Wolfram von Eschenbach und "Parzifal", Dante Alighieri und "Die Göttliche Komödie", Sophokles und "Antigone", Johann Wolfang Goethe und "Die Leiden des jungen Werther", "Novelle", Bettine von Arnim und "Goethes Briefwechsel mit einem Kinde", Franz Kafka und "Die Verwandlung", "Der Prozess" sowie "Das Schloss", Fjodor Dostojewski und "Arme Leute", "Schuld und Sühne/Verbrechen und Strafe", Graham Green und "Die Kraft und die Herrlichkeit", "Der dritte Mann", "Unser Mann in Havanna", Oscar Wilde und "Das Bildnis des Dorian Gray", "Ernst sein ist alles", Thomas Mann und "Buddenbrooks", "Betrachtungen eines Unpolitischen" sowie "Doktor Faustus", Michel de Montaigne und "Essais", Anton Tschechow und "Die Möwe", Luigi Pirandello und "Sechs Personen suchen einen Autor","Einer, keine hunderttausend", Albert Camus und "Die Pest", Oskar Maria Graf und "Wir sind Gefangene", "Das Leben meiner Mutter", James Joyce und "Dubliner", "Ulysses", William Faulkner und "Schall und Wahn" sowie "Licht im August".

Ich habe die fokussierten Autoren und Werke bewusst alle aufgelistet, damit Sie wissen, wozu hier motiviert werden soll. Tilmann Spengler erzählt immer voller Esprit, auf hohem Niveau, in bemerkenswert schnörkelloser, schöner Sprache. Dabei deckt sich sein Auftritt im Literaturhaus übrigens mit seinen geschriebenen Worten. Das will ich nicht unerwähnt lassen.

Neugierig auf die Werke machen nicht zuletzt die zum Teil recht kuriosen Charakterisierungen der Autoren. Ich zitiere mal, ein Beispiel aufzeigend, den Beginn des Essays zu Rainer Maria Rilke und "Die Aufzeichungen des Malte Laurids Brigge":"Was hält man wohl von einem jungen Dichter, der einen Brief an seinen Verleger mit den Worten schließt: "Ich selbst spreche nicht ins Telephon...Wenn sie aber telephonisch antworten, so kann ja der Portier die Antwort für mich aufnehmen."

Man mag vielleicht denken: So ganz bei Trost kann dieser Kerl nicht sein. Oder man denkt neidvoll: So ein Selbstbewusstsein hätte auch ich gerne, vielleicht nicht immer, doch in den entscheidenden Momenten. Vielleicht aber denkt man auch: Ein Dichter muss so etwas dürfen." (Zitat: S.36)

Ja, ein Dichter darf Allüren haben, er benötigt sie sogar, um sich abzugrenzen vom Alltäglichen, wenn er Nichtalltägliches schaffen will. Uns Lesern steht es nicht an, über die Allüren von Künstlern zu richten, bewundern allerdings müssen wir Allüren und Verschrobenheit auch nicht. Hinnehmen genügt.

Ich kenne zwar alle Autoren im Buch, aber nicht alle Werke. "Anna Karenina" auf so wenige Worte zusammenzustutzen, hat mir fast den Atmen geraubt. Hier bewundere ich das Selbstbewusstsein Spenglers besonders bei seinem saloppen Urteil "Anna Karenina bleibt am Ende nur noch Selbstmord". Ach, ja?  Diese Ansicht muss man nicht teilen, oder?

Mein ganz großes Lob gilt Spenglers Essay über Oskar Wilde und zwei seiner Werke, (siehe oben). Dass der hochironische Spengler, Wilde in seiner differenzierten Substanz besonders gut auszuloten vermag, kann ich sehr gut verstehen, denn die beiden sind, was den Wortwitz angeht, ganz klar Wahlverwandte im Geiste.

Empfehlenswert.

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Rezension: Der Winkeladvokat- Monsieur Rainer

Wenn man den Roman von Monsieur Rainer mit dem Titel „Der Winkeladvokat“ zum ersten Mal in den Händen hält und kurz reflektiert, worauf man sich bei diesem Buch eigentlich einlässt, könnte man durchaus auf die Idee kommen, dass es sich hierbei um die Beweihräucherung des Berufsstandes der Anwaltschaft handelt, der im akademischen Ranking immer noch hoch angesiedelt ist.

Das Image wird zuweilen nur durch einige geldgierige, verlogene und betrügerische Vertreter dieses Berufsstandes angekratzt. Ansonsten erwartet man smarte, Porsche fahrende, mit dunklem Tuch ausgestattete Anzugträger, die nichts erschüttern kann, zumindest keine kleinen, dicklichen, bebrillten Staatsanwältinnen oder Richterinnen. Allenfalls die jungen, mittlerweile attraktiven Referendarinnen könnten sie gelegentlich aufs Glatteis führen.

Ja, die Liebesabenteuer eines solchen Draufgängers hinter gediegenen Anwaltstüren, der selbstverliebt ironisch gelegentlich sich als Winkeladvokat vorstellt, verspricht schon Kurzweiliges.

Auch der Name des Autors „Monsieur Rainer“ ist zweifellos ein Pseudonym. Will er damit Diskretion gegenüber der weiblichen Mandantschaft beweisen oder sich gar vor den Nachstellungen der Obrigkeit schützen, falls nicht immer alles nach Recht und Gesetz gelaufen ist?

Alles weit gefehlt.

Monsieur Rainer, der bekannte Autor der wunderbaren „Commissaire Carlucci“- Kriminalromane oder auch des intelligenten, zeitkritisches Buches „Wehrt Euch!“ beschreibt hier in Romanform das dramatische Leben eines jungen Mannes, der gepeinigt durch seine gefühlskalten Juristeneltern, es vorzieht, lieber in die französische Fremdenlegion abzuhauen, als gedemütigt und geprügelt zu werden, da die Noten des Reifezeugnisses nicht den Vorstellungen seiner Erzeuger entsprechen.

Hier trainiert er seine Stärken und wird zum harten, angstfreien Kämpfer ausgebildet. Hier aber auch wird sein unbedingter Wille geprägt, es seinen familiären Peinigern mit gleicher Münze heimzuzahlen. Nach seiner Entlassung aus der Legion studiert er Jura in Nizza und Tübingen. Sein einziges Ziel ist es, diesem menschenverachtenden Staatsanwalt und dieser kalten hochnäsigen Richterin, diesen zwei Personen, die sich seine Eltern nennen, alles das zurückzuzahlen, was diese im Laufe vieler Jahre an ihrem Sohn verbrochen haben.

Als er endlich als Anwalt im gleichen Landgerichtsbezirk wie dieses “ehrenwerte“ Juristenpaar zugelassen wird, glaubt er die Zeit der Rache sei gekommen.

Monsieur Rainer stellt hier einen glänzend geschriebenen Roman vor, einerseits perfekt recherchiert, was die gerichtliche Praxis anbelangt, so dass der Leser auf eine abgeschlossene juristische Ausbildung mit anschließender anwaltlicher Tätigkeit schließen kann.

Doch auch die Erfahrungen, die sein Protagonist in den verschiedenen Gerichtssälen dieses Landes gemacht hat, dokumentiert profunde Kenntnisse der Materie. Dieses alles bindet der Autor in die tiefe Emotionalität des jungen Mannes ein, dem das Schicksal so viele Härten auferlegt hat. Die schönen Seiten des Lebens kommen allerdings auch nicht zu kurz, wenn der ehemalige Fremdenlegionär an seine geliebte Cote d` Azur zurückkehrt, nach Nizza, wo sein Leben als Student sich durchaus angenehm gestaltete.

Alles in allem haben wir es mit einem Roman zu tun, der voll Herzblut geschrieben, auch durchaus biographische Züge aufweisen könnte und deutlich zeigt, wie kalt und herzlos Menschen, zumal gutbetuchte Juristen sein können. Wie aussichtslos es ist, gegen verlogene Strukturen zu kämpfen, erfährt unser Protagonist permanent, zumal wenn man von blindem Hass geleitet wird.

Ach ja, und ob unser Romanheld immer nur gegen das Böse kämpft oder ob er auch Gefühle und Leidenschaften seitens der holden Weiblichkeit entgegengebracht bekommt, müssen sie durch die Lektüre selbst herausfinden. Es ist fast zu vermuten.

Ich möchte dieses Buch uneingeschränkt empfehlen.

Helga König

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Rezension: Börne-Das große Lesebuch (Broschiert)

Herausgeberin dieses Lesebuchs ist Inge Rippmann. Sie stellt eine große Anzahl von Texten des in Frankfurt am Main geborenen deutschen Intellektuellen Ludwig Börne (eigentlich Löb Baruch, 1786-1837) vor, wodurch man einen breitgefächerten Eindruck dieses Denkers jüdischer Herkunft erhält, dessen Schriften sich in erster Linie gegen die politische und kulturelle Reaktion wandten.

Die Herausgeberin hebt gleich zu Beginn hervor, dass Börne kein Dramatiker wie Büchner, kein Lyriker wie Heinrich Heine, kein epischer Schriftsteller wie der von ihm verehrte Jean Paul gewesen sei. Sein Ruhm sei zunächst der Aktualität verpflichtet gewesen.

Den letzten Seiten des Buches hat man übrigens Gelegenheit, sich einen Überblick über das Leben und Werk Börners zu verschaffen, bei dem sich das Stichwort "Freiheit" durch sein, wie Rippmann nicht unerwähnt lässt, "schmales, jedoch formal wie inhaltlich breit gefächertes Oeuvre verfolgen" lässt.

Börne verbarg seine radikal-oppositionelle Kritik in der Regel in Feuilletons, Kritiken und Kurzgeschichten. Davon erhält man in dem Lesebuch einen recht guten Eindruck.

1830 begab sich der Frankfurter nach Paris und widmete sich nach zwei ausgedehnten Schweizreisen zwischen 1832-1834 intensiven Studien der Französischen Revolution. Börne soll wie die meisten seiner liberalen Zeitgenossen die Julirevolution zunächst als entscheidende Zeitenwende begrüßt haben. Dabei befreite ihn sein neu gewählter Wohnort Paris sowohl inhaltlich als auch stilistisch vom Zensurdruck.

In seinen "Pariser Briefen" ließ es die Leser an seiner aktuellen Lektüre teilhaben und klagte u.a. mit satirischer Geste die unverantwortliche Politikabstinenz von Goethe, Schiller und anderen Geistesgrößen der Klassik an.
Sein Seitenblick auf Heine soll stets wach geblieben sein. Hier soll es enorme Konkurrenzgefühle gegeben haben, die schließlich in "feindseliger, von ihrem unterschiedlichen Revolutionsverständis gespeister Gehässigkeit" endeten.

Das Lesebuch stellt Texte von Börne vor, die ihn als Anwalt und Kritiker der Juden, als kritischen Patrioten, als Literatur- und Theaterkritiker, als Vorkämpfer für die Pressefreiheit, als radikalen Demokraten, als Flaneur und Musikfreund, als Goethe-Gegner, als Zeitgeschichtenschreiber, als Satiriker und in anderen Rollen zeigen.

Als ich die Texte, die seine Beziehung zu Heine verdeutlichen, las, sah ich erneut, wie kontraproduktiv Konkurrenzdenken ist und wie viel mehr es doch bringt, wenn kluge Geister gemeinsam an einem Strang in eine Richtung ziehen.

Empfehlenswert.

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