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Rezension:Haben Sie das wirklich alles im Kopf?: Glücksfälle der Weltliteratur (Gebundene Ausgabe)

Tilmann Spengler porträtiert in seinem Buch eine Vielzahl interessanter Autoren aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Alle sind ohne Frage Glückfälle für die Weltliteratur. Bis auf wenige Ausnahmen habe ich von allen im Buch erörterten Schriftstellern und Dichtern bereits etwas gelesen mit Ausnahme von Cao Xueqin (1715-1763), Lu Xun (1881-1936).

Schön an diesem Buch ist, dass man es immer wieder zur Hand nehmen und auch als Nachschlagewerk nutzen kann. Ich las zunächst den Essay Tilmann Spenglers über Kleist, nicht zuletzt, weil ich mich vor langer Zeit im Studium mit Kleist befasst habe und schließlich vor geraumer Zeit eine Biographie über diesen preußischen Dichter gelesen habe. Kleist hat angeblich aufgrund der Lektüre von Immanuel Kants "Kritik der Urteilskraft" sein Studium nach dem 3. Semester abgebrochen. Das war mir bislang nicht bekannt, wohl aber dass er Rousseau las und dass ihm Gerichtswillkür, Ungerechtigkeit und Unterdrückung zuwider war. Sehr sympathisch. Erwähnt wird u.a., dass Kleist mit der Novelle "Michael Kohlhaas" eine Figur geschaffen hat, die zum Inbegriff für Gerechtigkeitswahn wurde. Spengler skizziert kurz den Handlungsverlauf und macht mich neugierig, die Novelle abermals zu lesen. Ab wann ist es sinnvoll loszulassen? Diese Frage ist auch eine Frage des Zeitgeistes, wie ich meine.

Als ich den Namen Robert Musil lese, erinnere ich mich an ein Musil-Seminar und an die Tatsache irgendwann in den Sommersemesterferien den Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" gelesen zu haben. Was ist hängen geblieben? Hat der Roman mich weiter gebracht? Ich vermag es nicht zu sagen. Tief bewegt hat mich allerdings Musils "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß". Auch hier gelingt es Spengler, Neugierde auf das Werk zu erwecken. Ich frage mich, ob ein Roman wie dieser zum Mitgefühl erziehen kann? Schön wäre es.

Schiller, Shakespeare und Goethe kommen zur Sprache und ich lese, dass Goethe "ein begnadeter Meister des Aufhebens, des Zusammenfügens scheinbar sperriger Teile, im inhaltlichen und im Formalen war". Das muss man wissen, um ihn zu begreifen in seiner gesamten spielerischen Intelligenz, die die Grundlage seines grandiosen Schaffens darstellte.

Tilmann Spengler porträtiert: Aischylos, Jane Austen, Honoré de Balzac, Samuel Beckett, Heinrich Böll, Berthold Brecht, Lewis Caroll, Joseph Conrad, Federico Garcia Lorca, Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Grimm, Gerhart Hauptmann, Heinrich Heine, Ernest Hemingway, Heinrich von Kleist, Selma Lagerlöff, Lu Xun, Robert Musil, Vladimir Nabokov, George Orwell, Joseph Roth, Friedrich Schiller, Wilhelm Shakespeare, Laurence Sterne, Tausendundeine Nacht, Anton Tschechow und John Updike.

Sehr gut gelungen ist das Heine-Porträt, doch im Augenblick steht mir der Sinn nicht nach Heine, sondern eher nach Shakespeare. Weshalb? Weil ich an eines seiner Sonette denken muss, in dem ich mich in diesem Moment wiederfinde. Es ist diese Wortmagie. Was Spengler schreibt, ist richtig "Shakespeare hat die Gabe, Wendungen, Bilder, Vergleiche, direkt aus dem Himmel in das Herz seines Zuhörers leiten zu können. Und er hat auch das wahre, poetische Gefühl für die lebenswichtige Bedeutung des Unsinns." (S.186)

Ein gelungenes Buch. Ich empfehle es gerne.

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Rezension:Menu d'amour: Eine Liebesgeschichte (Gebundene Ausgabe)

"Wir sahen uns eine Weile schweigend an, dann lächelte sie plötzlich und streckte mir die Hand hin: "Sind wir wieder Freunde?", (Zitat. S. 45).

Liebesgeschichten lese ich seit einigen Jahren äußert selten. Der Klappentext dieses Büchleins allerdings machte mich sofort neugierig und ich dachte schmunzelnd, so etwas kann im Grunde nur ein Franzose schreiben.

Nicolas Barreau, 1980 geboren, studierte Romanistik und Geschichte an der Sorbonne und hat bereits einige Romane zu Papier gebracht, darunter "Das Lächeln der Frauen"(2010), der in 34 Ländern verkauft wurde. "Menu d`amour" besteht aus zwei Teilen. Dargeboten werden eine Liebesgeschichte und sieben Liebes-Menus aus dem persönlichen Kochbuch des Autors.

Die Protagonisten der Liebesgeschichte sind eine sehr hübsche, junge Studentin und ein ebenso junger, verliebter Student, die beide eine große Zuneigung zur Literatur verbindet. Der Student, er ist der Ich-Erzähler, der sich erinnernd von seiner großen Liebe berichtet, erzählt wann er Valérie kennen lernte, warum sie ihn sofort bezauberte, wieso er ihr lange Zeit nicht seine Gefühle gestehen konnte und deshalb beinahe seine Chance, sich mit ihr zu vereinen, verpasst hätte.

Ich muss zugeben, dass ich den Autor für wesentlich älter gehalten habe und den Eindruck hatte, dass die Geschichte, die hier erzählt wird, in den 1970ern spielt, bis mir klar wurde, dass junge Menschen immer so handeln, wenn sie noch schüchtern sind und sich verlieben. Wie schade, dass im Laufe des Lebens diese Unschuld verloren geht und Verhaltensmustern weicht, die unbefangenes Verlieben kaum mehr möglich machen.

Die Liebesgeschichte ist mit leichter Hand sehr niveauvoll verfasst worden. Die Sprache ist schnörkellos, der Inhalt frei von Sentimentalität. Dass der Protagonist die hübsche Studentin für sich gewinnt, weil er ihr ein köstliches Liebesmahl zubereitet, ist eine nette Idee, denn sie enthält die Botschaft, dass man nur dann etwas bekommt, wenn man auch zu geben bereit ist. Diesen Gedanken haben in unseren Zeiten so viele Menschen vergessen. Deshalb auch gibt es kaum noch funktionierende Bindungen.

Von Stil her erinnert mich der Autor an Francois Sagan. Obschon die Liebesgeschichte nur rund 75 Seiten umfasst, hielt mich ihr Zauber gefangen. Den Inhalt vergisst man nicht so schnell, weil er berührt und unter Umständen den ein oder anderen nicht zu hart Gesottenen vielleicht sogar zu Tränen veranlasst.

Die delikaten Rezepte zum Schluss, alle bestens erläutert, werden Liebhaber der französischen Küche entzücken. Sie machen die Liebesgeschichte nicht schlechter, sondern sind eine sinnliche Bereicherung.

Ein gelungenes Buch, das gewiss nicht nur Leserinnen anspricht. 

Empfehlenswert.

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Rezension: Man liebt nur, was einen in Freiheit setzt!

Dieses Buch sprach mich sofort an als ich den Titel las. Es handelt sich dabei um ein Schiller-Wort "Man liebt nur, was einen in Freiheit setzt!". Das sehe ich genauso.

Der in Marbach am Neckar geborene Dichter Friedrich Schiller war zehn Jahre jünger als Goethe, mit dem er Freundschaft pflegte. Literarisch hat er sich mit Shakespeare, Voltaire, Rousseau auseinander gesetzt und war mit Fichte, Hölderlin und Humboldt bekannt.

Vor einigen Jahren habe ich mich im Zuge einer Rezension intensiv mit seinen Gedichten befasst. Seine Dramen kenne ich aus der Schulzeit, einige seiner Essays sind mir aufgrund von Reich-Ranickis "Die deutsche Literatur Kanon Essays" vertraut..

 Die meisten Texte im Buch sind mir also schon seit ewigen Zeiten bekannt und doch oder vielleicht deshalb machte es mir Freude, darin zu lesen, weil mich die getroffene Auswahl interessiert hat. Sie ist gelungen. Schon die erste Sentenz, macht mir Schiller erneut sympathisch:..

 "Welchen Leser ich wünsche? Den unbefangensten, der mich Sich und die Welt vergisst und in dem Buche nur lebt." Viele Dichter und Schriftsteller wünschen sich dies vermutlich auch und leiden unter einem Heer von Nörglern und Besserwissern, deren Tagesbeschäftigung darin besteht, vermeintliche Haare aus der Suppe anderer zu zerren. Kein besonders kreativer Job. Nicht wahr?

 Das Buch enthält eine große Anzahl von Gedichten, auch Balladen. Ich zähle zu den Menschen, die Gedichte während ihrer Schulzeit und auch danach sehr gerne auswendig lernten, wobei das "Lied von der Glocke" mir inhaltlich nicht so recht gefallen mochte. Daran hat sich nichts geändert, wie ich beim abermaligen Lesen vorhin feststellen konnte. Natürlich liebe ich Schillers Gedicht "An die Freude" und weiß nicht, weshalb ich erst heute Schillers "Resignation" bewusst gelesen habe. Vielleicht, weil ich mich jüngst mit einem Kunstbuch befasst habe, das den Titel "Arcadia" trägt. Das Gedicht beginnt mit dem Vers:.

 "Auch ich war in Arkadien geboren,
 auch mir hat die Natur
An meiner Wiege Freude zugeschworen,
Auch ich war in Arkadien geboren,
doch Tränen gab der kurze Lenz mir nur".

 Das klingt nicht fröhlich. In welcher seelischen Verfassung mag der Dichter sich damals befunden haben?

Das Buch enthält neben den Gedichten eine Reihe von Briefen, natürlich auch solche an Goethe, auch an Fichte und an Wilhelm von Humboldt. Es enthält ferner die Essays "Über Anmut und Würde", "Über das Erhabene", auch über die "Ästhetische Erziehung der Menschen", zu denen ich mich im Rahmen von Rezensionen bereits geäußert habe. Nachlesen kann man ferner Auszüge aus Schillers Stücken und man findet zudem eine große Anzahl von klugen Sentenzen.

 Erwähnen möchte ich die Sentenz, die er "Die Idealwelt" nennt: "Alle sind sie entwichen des Lebens Schatten, verschwunden Sind mir die Menschen und klar stehet der Mensch nur vor mir." Dieser Mensch ist sicher sehr freundlich und dabei selbstbewusst. Es ist der Mensch, der Arkadien immer und überall möglich macht. Es ist der Mensch, den wir alle gerne um uns haben. Der Mensch, mit dem wir lachen können.... Es ist der Mensch, den wir in uns allen verborgen halten, der ja sagen möchte zum Leben, zum Du und zur Liebe. Gestatten wir es ihm, immer und überall.

 Eine sehr schöne Auswahl, zusammengestellt von Dr. Hans-Joachim Simm.

 Empfehlenswert.

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Rezensionen: Romane und Erzählungen - Cees Nooteboom

Der niederländische Romancier Cees Nooteboom feiert 31. Juli 2013 seinen achtzigsten Geburtstag. Verfasst hat er in seinem bisherigen Leben Romane, Novellen, Reiseberichte und Gedichte und war auch als Journalist und Literaturkritiker tätig. Der Jubilar erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. zwei Ehrendoktortitel. Seine Bücher wurden in mehr als 15 Sprachen übersetzt.

Im hier vorliegenden Band des Suhrkamp-Verlages sind zahlreiche seiner Romane und Erzählungen enthalten. Viele der Texte kannte ich bereits und habe auch einige Rezensionen hierzu verfasst.

 Der Band beginnt mit dem Roman "Philip und die anderen". Hierzu hat Rüdiger Safranski ein Nachwort geschrieben. Bestechend eloquente Nachworte auch zu den dann folgenden Romanen stammen Connie Palmen, A.S. Byatt, Péter Esterházy, Alberto Manguel, László F. Földényi und Susanne Schaber.

Bei den Romanen in diesem Sammelband handelt es sich um folgende Werke: "Der Ritter ist gestorben", "Rituale", "Ein Lied vom Schein und Sein", "In den niederländischen Bergen", "Allerseelen" und "Paradies verloren".

Wie schon angedeutet, wartet eine Fülle von Erzählungen in diesem weit über 1200 Seiten umfassenden Buch außerdem darauf, entdeckt zu werden. Auflisten werde ich sie jetzt nicht, aber erwähnen, dass "Der Buddha hinter dem Bretterzaun" auch dabei ist. Eine großartige Erzählung.

Auf einzelne Texte hier einzugehen, ist im Rahmen einer Rezension ein unmögliches Unterfangen. Jeder der Texte erfordert eine einzelne Rezension.

Soeben las ich die Liebesgeschichte "Mokusei!" erstmals, die mich sehr fasziniert hat. Es ist die Geschichte "einer großen Liebe und ebenso der Unmöglichkeit, darüber zu sprechen oder zu schreiben" wie Christiaan Weijts in seinem Nachwort so zutreffend zusammenfassend schreibt. Zu dieser Erzählung werde ich demnächst wohl eine separate Rezension verfassen. Die Problematik, die in der Erzählung zur Sprache kommt, interessiert mich nicht erst seit heute.

 Melancholie lese ich aus vielen von Nootebooms überaus packenden und berührenden Texten heraus und auch Fernweh sowie Sehnsucht, die vielleicht der Antrieb dieser Melancholie ist, auch tiefe Nachdenklichkeit und wahrhaft feinsinnige Beobachtungsgabe, dazu die Poesie der Sprache, die mich nicht selten zu Tränen rührt.

Cees Nootboom löst in mir ähnliche Gefühle wie ein Fado aus. Schon seltsam. Ich liebe die Texte dieses Schriftstellers. Mehr muss ich eigentlich nicht sagen. 

Sehr empfehlenswert.

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Rezension:Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (Gebundene Ausgabe)

Die Autorin dieses hervorragenden Buches ist die 2012 verstorbene Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich-Nielsen. Sie hat bis unmittelbar vor ihrem Tode an diesem Buch gearbeitet. Es handelt sich bei den Texten um eine große Anzahl essayistischer, teilweise autobiographisch geprägter Texte und um zwei Interviews, die sie in vier Kapitel untergliedert hat:

Frauen
Geschlechter
Individuelle und kollektive Trauer
Margarete Mitscherlich, geb. 1917, Psychoanalytikerin.

Ihr Buch beginnt sie mit Betrachtungen zu Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre, dem französischen Intellektuellen-Paar und deren Liebesbeziehung. Hier zeigt sie auf, dass es selbst der Feministin de Beauvoir im realen Leben letztlich an Mut fehlte, immer ihren Idealen zu folgen und sie beispielsweise ihrem an Sexualität nicht besonders interessierten Gatten von ihren Affären mit Frauen nichts berichtete. Ich frage mich natürlich, ob sie ihn schonen wollte oder eher sich vor nervigen Diskussionen mit diesem gewiss nicht wenig zynischen Analytiker.

Mitscherlich schreibt auch von anderen intellektuellen Frauen und deren nicht immer einfachen Liebesbeziehungen. So etwa von Lou Andreas Salomé, die bis zu ihrem dreißigsten Lebensjahr keine sexuellen Beziehungen hatte, anschließend dann aber zahlreiche, jedoch stets nur von kurzer Dauer. Auch der Dichter Rilke war einer ihrer Liebhaber. Er litt sehr als sie sich von ihm trennte. Immerhin blieb sie ihm freundschaftlich verbunden.

 Mich wundert es nicht, weshalb in vergangenen Zeiten, ja vielleicht noch heute, intellektuelle Frauen letztlich im emotionalen und sexuellen Bereich mit Männern hadern. Männern machen es intellektuellen Frauen ja auch nicht sonderlich leicht, bedingungslos ja zu ihnen zu sagen.:-))

Sehr interessant fand ich den Essay mit dem Titel "Gretchen gestern und heute. Flucht in den Mord- Margaretha Brandt tötet ihr Kind nach der Geburt." Die Geschichte der Kindsmörderin Margaretha Brandt liegt der Geschichte Gretchens im "Faust" von Goethe zugrunde. In der Geburtsstadt Goethes wurde die Hinrichtung einst wie ein Volksfest gefeiert. Den Dichter hatte dies sehr berührt, deshalb auch setzte er sich im Faust kritisch mit dem Thema auseinander. Mitscherlich verdeutlicht am Fall einer jungen Muslimin, die aus Angst vor den gesellschaftlichen Folgen ihre Neugeborenes tötete, dass auch heute noch Richter mit großen Vorurteilen, sich eines solches Falles annehmen und zu äußerst bedenklichen Urteilen kommen. Sie zieht das Fazit: "Aber wir sehen, die Zeiten haben sich nicht allzu sehr geändert, das Mittelalter und seine Vorurteile gibt es im Geist und in der Seele vieler Männer weiterhin," (Zitat: Seite 88).

Mitscherlich schreibt im Essay "Die Frau und die Macht in einer neuen Gesellschaft", dass Frauen Macht menschenfreundlicher und einsichtiger als Männer ausüben, wenn ihnen Wahrheitsliebe und Durchsetzungsvermögen zu eigen ist, weil sie sich besser in andere Menschen einfühlen und die anderen besser wahrnehmen können. Dem stimme ich nicht zu. Meiner Erfahrung nach ist Einfühlung und Wahrnehmung nicht an das Geschlecht gebunden, sondern hängt in erster Linie damit zusammen, ob man mehr oder weniger narzisstisch veranlagt ist.

 Überein stimme ich mit der Autorin, dass mithilfe von Menschen, die man achtet und die neues Wissen und neue Verhaltensweisen anbieten, sich dies besonders lebendig einprägt und nur Neid diese Art des Lernens verhindert. Mitunter frage ich mich, ob betont neidische Menschen letztlich aufgrund ihrer Ignoranz immer mehr verblöden. Fast scheint es so.

Es führt zu weit auf alle Essays hier näher einzugehen. Besonders interessant finde ich die Interviews, die Meinhard Schmidt-Degenhard mit Frau Mitscherlich führte. Hier beantwortet sie u.a. Fragen, wie etwa, ob Frauen auch aggressiver werden müssen oder ob Solidarität unter Frauen überhaupt möglich ist.

Sehr lesenswert auch sind ihre Betrachtungen zum Buch "Die Unfähigkeit zu trauern", in das, wie sie schreibt, eigene Erfahrungen eingegangen sind, und zwar das Erleben, in welchem Ausmaß Trauer, Erinnerung und Konfrontation mit der Vergangenheit befreien können -keineswegs nur von der Vergangenheit, sondern auch vom Selbsthass, (vgl.: S.164).

Ich staune, womit sich Frau Mitscherlich noch im hohen Alter auseinandergesetzt hat. Das zeigt wie intellektuell offen sie war und, dass der rege Geist ewig jung bleibt.

 In einem weiteren Interview, das Schmidt-Degenhard mit ihr führte als sie 93 Jahre alt war, fragt er sie:

"Gibt es Tage, an denen Sie nicht an den Tod denken?" 

Margarete Mitscherlich antwortet: 

"Nein. Das Komische ist aber, dass der Unglaube an den Tod proportional zu seinem Herannahen wächst," (Zitat: 243).

Dieses Zitat habe ich für einen meiner Leser gewählt, um ihm aufzuzeigen, dass er mit seinem extremen Glauben an den Tod, demnach noch ein sehr langes Leben vor sich hat. 

Zu Ende des Buches findet sich ein Nachruf von Wolfgang Leuschner. Er fragt nicht grundlos, wo die Psychoanalyse heute in Deutschland stünde, wenn es sie und ihr Werk nicht gegeben hätte.

Empfehlenswert.

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Rezension: Alles Boulevard: Wer seine Kultur verliert, verliert sich selbst (Gebundene Ausgabe)

Der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa wartet in seinem neuen Buch "Alles Boulevard" mit beeindruckenden Essays auf, die dem Leser verdeutlichen, dass Kultur in unseren Zeiten vollständig verramscht wird. Dabei stimmt der Untertitel des Werkes sogleich ein wenig nachdenklich und lässt die Frage aufkommen, habe ich mich bereits verloren und wann ist es geschehen?

Der Autor schreibt, dass die Buchkultur ihre Stellung eingebüßt habe und marginalisiert werde. Diese Entwicklung durften wir hier alle im Netz mitverfolgen und erleben täglich ihre Auswirkungen. Die Buchkultur existiert nur noch am Rande der heutigen Kultur, so Vargas Llosa. Die jetzige Kultur hat fast gänzlich mit der klassischen, humanistischen Bildung gebrochen. Dies muss man einfach zur Kenntnis nehmen.

Unsere Gegenwartskultur steht im Zeichen der Globalisierung. Erstmals wurden in der Geschichte kulturelle Referenzen hervorgebracht, auf die sich Gesellschaften und Individuen aller fünf Kontinente verbindlich beziehen, gleichgültig wie verschieden die jeweiligen Traditionen, Religionen und Sprachen sind. Eine solche Kultur ist nicht länger elitär, gelehrt und exklusiv, sondern stattdessen eine echte Massenkultur. Nun geht es darum, den Menschen zu unterhalten, Vergnügen zu bereiten, eine einfache, allen zugängliche Flucht zu eröffnen, ohne irgendeine Bildung oder kulturelle Orientierung zur Bedingung zu machen. Die Massenkultur entwickelt sich aus der Dominanz des Bildes und des Tons, zum Nachteil des Wortes. Beschleunigt hat sich dieser Prozess durch die sozialen Netzwerke im Internet, (vgl.: S.25).

Vargas Llosa schreibt in der Folge über die Kultur des Spektakels. Darunter zu verstehen ist eine Kultur, in der Unterhaltung das Wichtigste ist, in der Eskapismus und Spaß die allesbeseelenden Leidenschaften darstellen, (vgl.: S.31). All das dürfen wir nicht nur im Internet tagtäglich zu Kenntnis nehmen..

 Einen Satz des Nobelpreisträgers, den ich hier zitieren möchte, ist folgender: "Wenn eine Kultur der Ausübung des Denkens in die Rumpelkammer verbannt und die Gedanken durch Bilder ersetzt werden, sind es Marketingtechniken, die über Wohl und Wehe eines Produktes entscheiden, die konditionierten Reflexe des Publikums, das über keine geistigen und intuitiven Schutzmaßnahmen mehr verfügt, um die Konterbande oder Erpressung zu erkennen, der es zum Opfer fällt," (Zitat S.36).

 Nach einen Jahr Facebook und teilweise sehr guten Erfahrungen mit Künstlern, muss ich in der Gesamtheit meiner Beobachtungen schon feststellen, dass narzisstische Bilderwelten, die seitens gewiefter Marketingstrategen für völlig andere Zwecke eingesetzt werden, mehr als bedenklich sind. Wenn Bilder Sprache ersetzen, kann auf Dauer selbst eine Bildreflektion nicht mehr stattfinden, denn zu dieser benötigt man natürlich Worte. Immer mehr dieser Worte geraten in Vergessenheit.

 Vargas Lllosa hält fest, dass neben der Vermassung Frivolität ein weiteres Merkmal unserer Zeit sei und die Kultur des Seichten und des Flitters, des Klamauks und der Pose nicht genüge, um Gewissheiten und Rituale der Religion zu ersetzen, (vgl.: S. 42). Es ist wohl wahr, in unserer Zeit verschaffen Betäubungsmittel und der Alkohol zeitweilige Ruhe des Geistes. Doch sind diese Sicherheiten und Erleichterungen gleichbedeutend mit dem, was einst durch Gebet und Beichte, die Kommunion und Gebet uns zuteil wurden? Schaue ich mir täglich den Frust und die hohe Aggression vieler Menschen im Netz gerade zum Wochenende hin an, die zu verstärkten Trinkgelagen genutzt werden, dann muss ich bei der Antwort nicht eine Sekunde überlegen. Aus all diesen Menschen schreit die Leere und die Sehnsucht nach Sinn.

Immer häufiger verarmen die Ideen, die ein weiteres Merkmal und treibende Kraft des kulturellen Lebens sind, (vgl.S.45). Unsere Kultur wurde auf dem Altar des Hedonismus geopfert, Spektakel all überall, auch in der Politik.

 Erotik gibt es nicht mehr, so der Autor, sie ist zeitgleich mit der Kritik und der Hochkultur verschwunden, (vgl.S.52). Über die Vorgeschichte dieses Abhandenkommens schreibt Vargas Llosa ausführlich. Ich stimme ihm zu, wenn er resümierend festhält, dass wir, sofern wir möchten, dass die körperliche Liebe dazu beiträgt, das Leben zu bereichern, wir uns von Vorurteilen befreien, jedoch keineswegs von der Form und den Ritualen, die sie veredeln und zu zivilisieren, (vgl.: S.121). Der Autor schreibt u.a. auch über Catherine Millet, einen angesehene Literaturkritikerin in Frankreich und über ihr Buch "Catharine M." und dass hier die Liebe, indem man sie zum Zeitvertreib herabgewürdigt, banalisiert wird, (vgl.: S.133).

 Es ist überall ein Mangel an Ernsthaftigkeit feststellbar. Das zeigen auch seine weiteren Betrachtungen. Wie Vargas Llosa so treffend konstatiert, ist es heute eine Form von Eskapismus, der uns gestattet Problematisches zu ignorieren, Dringliches beiseite zu schieben und in ein "künstliches Paradies" einzutauchen, (vgl.: S.215).

 Leider befürchte ich, man wird diesen Rufer in der Wüste nicht hören, wenn er sagt: "Vertrauen wir einer Software die Bewältigung aller kognitiven Aufgaben an, reduziert dies die Fähigkeit unseres Gehirns, stabile Wissensstrukturen aufzubauen. Mit anderen Worten, je intelligenter der Computer wird, desto dümmer wir selbst." (Zitat S.226).

 Empfehlenswert.

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Rezension: Danke für die Einladung- Hanns-Josef Ortheil

Dass Romancier Hanns-Josef Ortheil kulinarischen Dingen nicht abgeneigt ist, verbirgt er in seinen Romanen nicht, insofern war ich auch nicht überrascht nun ein neues Buch mit dem Titel "Danke für die Einladung" von ihm zu entdecken. Darin befasst er sich ausgiebig mit dem Thema Gastlichkeit und dem Zauber der Hingabe, die ein guter Gastgeber zu verbreiten vermag.

Eingangs bereits vergisst er keineswegs zu erwähnen, dass auch ein Gast seine Pflichten hat. Eine dieser Pflichten besteht darin, ein kleines Geschenk mitzubringen. Ortheil ist davon überzeugt, dass sein neues Buch ein ideales Gastgeschenk ist. Dieser Meinung schließe ich mich nach der Lektüre gerne an.

Das Buch beinhaltet Geschichten, Erzählungen und Überlegungen rund um die Einladung und ist in sechs Abschnitte unterteilt. Diese tragen die Überschriften: 
Das Gastmahl 
Große Tafel 
Bei Goethe zu Gast 
Ideale des Tafelns 
Das Liebesmahl 
Gastgeberfreuden 

Neben den Überlegungen Hanns-Josef Ortheils, die jeden Abschnitt einleiten, hat man Gelegenheit themenbezogene Texte von Homer, P. Ovidus Naso, Petronius, Theodor Fontane, Thomas Mann, Marcel Proust, di Giuseppe Tomasi di Lampedusa, Caroline Schlegel, Wilhelm Grimm, Friedrich Förster, Carl Holtey, Immanuel Kant, Antonius Anthus, Eugen van Vaerst, Michael Tournier, Julian Barnes, Wäis Kiani, Robert Gernhardt und auch von Ortheil zu lesen.

Der Autor schreibt beispielsweise über die Geburt der frugalen Küche, die auf Philemon und Baucis zurückgeht und durch Schlichtheit besticht. Die Eheleute verzichteten auf Diener, wischten den Tisch mit Minze ab, bevor ihre Gäste kamen und servierten in erster Linie Produkte aus dem Garten. Die beiden waren allerdings wohl eher in der Antike die Ausnahme, denn man verbindet damalige Essgepflogenheiten häufiger mit den opulenten Tafeln eines Trimalchio, die der Schriftsteller Petronius in seinem Text "Das Gastmahl des Trimalchio"(S.23ff) festgehalten hat.

Ortheil erinnert an die bürgerliche, große Festtags-Tafel in seiner Kindheit bei seinen Großeltern, die er als "schwachen Abglanz" der großbürgerlichen Tafeln des neunzehnten Jahrhunderts begreift. Die von ihm näher beschriebene Festtags-Tafel war wohl in den späten 1950er und frühen 1960ern in allen bürgerlichen Familien ähnlich (nichts ging, ohne Markklößchensuppe) und veränderte sich erst allmählich. Reisen in den Süden, aber auch in das Elsass sorgten für eine neue Speisevielfalt, nichs nur wenn Gäste kamen. So meine Bebobachtung.

Sehr schön beschrieben hat Ortheil die Ess-Gepflogenheiten im Hause Goethe in Weimar. Der Dichter hatte nahezu täglich Gäste aus aller Welt und schätzte damals schon die italienische Küche. Mich erstaunt sein Weinkonsum eigentlich nicht, denn er lässt fröhliche Tafelrunden schließen. Seine intellektuelle Leistungsfähigkeit wurde nicht beeinträchtigt. Das hat er hinlänglich dokumentiert. Offenbar brauchte sein Geist den Stoff, um sich kreativ entfalten zu können.

Wilhelm Grimm schreibt über seine Erfahrungen als Gast bei Goethe: "Er war ungemein splendid, Gänseleberpasteten, Hasen und dgl. Gerichte. Er war noch freundlicher, sprach recht viel und invitierte mich immer zum Trinken, indem er an die Bouteille zeigte und leise brummte, was er überhaupt viel thut; es war sein sehr guter Rotwein und er trank fleißig, beßer noch die Frau…",(S. 61)

Ortheil schreibt auch über die neue Wissenschaft, die im 19. Jahrhundert entstand. Man nannte sie "Gastrosophie". Es handelte sich um vernünftige Überlegungen, was man essen und trinken sollte, dabei sollen Immanuel Kants Reflexionen über "die gute Mahlzeit" eine Art Gründungsurkunde dieses Nachdenkens sein, die – und das unterstreicht Ortheil – "zum Glück nicht aus reiner Theorie hervorging, sondern sich vor allem in die Praxis von Kants eigenen Tischgesellschaften anlehnte," (S.67).

Mit großem Interesse habe ich Immanuel Kants Text "Eine gute Mahlzeit in guter Gesellschaft" gelesen, dem ich in vieler Hinsicht zustimme. Ich liebe Tischgespräche und finde sie auch stets sehr belebend.

Hanns- Josef Ortheils Text "Vom Vergnügen, Kutteln zu kochen" sollte man sich nicht entgehen lassen. Sein Schriftstellerkollege Cees Nooteboom kocht übrigens ebenfalls gerne diese gewöhnungsbedürftige Speise, davon schreibt er in einem seiner Texte, soweit ich mich erinnern kann.

Kutteln aß ich erstmals bei Franz Keller im Rheingau und war überrascht wie gut diese schmecken. Sie selbst zuzubereiten, hätte ich unüberwindliche Berührungsängste, ähnlich jenen, wenn ich einen lebenden Krebs ins kochend heiße Wasser setzen sollte. Dann lieber ein Gastmahl a la Philemon und Baucis .

Ein tolles Buch, das ich gerne weiterempfehle.

   

Rezension:Der Tag ist hell, ich schreibe dir - Tanja Langer

"Ich warf drei Hand voll Erde auf deinen Sarg. Ich warf drei Rosen in dein Grab" (S.383)

Die Autorin dieses hervorragenden Romans - Tanja Langer - war die langjährige Freundin des 1989 ermordeten Bankiers Alfred Herrhausen. Der Romanhandlung setzt sich mit dieser Freundschaft sehr komplex auseinander.

Die Protagonistin Helen lernt kurz vor ihrem Abitur den bereits über fünfzigjährigen Bankier Julius Turnseck kennen. Diese Begegnung liegt zu dem Zeitpunkt als Helen sich entschließt, die Geschichte zu Papier zu bringen, 27 Jahre zurück. Unzählige Briefe hat sie in all den Jahren an Julius geschrieben und gibt dem Leser Einblicke in jene Schriftstücke, die erhalten geblieben sind. Pia, die Gattin des Bankiers händigte ihr diese nebst dem Füller von Julius zwei Jahre nach dem Mord aus. Helen vergisst diese Briefe in den Jahren, die dann folgen und erinnert sich erst wieder dreizehn Jahre später daran, dass sie in ihrem Besitz sind und das auch nur, weil ein Reporter sie aufsuchte und nach Julius fragt.

Die Icherzählerin Helen berichtet zunächst von ihrer Familie, in der sie aufwuchs, von ihrer Arbeit im Restaurant ihrer Eltern, der Gegenwelt zum Gymnasium, das sie mit einem Abiturnotenschnitt von 1,1 verließ. Wenige Tage vor dem Abitur nahm Helen an einer Fernsehsendung teil. Dort wird Julius auf das blitzgescheite Mädchen aufmerksam. Die beiden mögen sich auf Anhieb. Er bittet die Schülerin ihm zu schreiben und sie kommt alsbald seiner Bitte nach. Die junge Helen ist vielseitig interessiert und schreibt ihm von dem, was sie liest und denkt. Sie liest damals Kafka, Kierkegaard, Turgenjew und Camus und grübelt viel, wie sie die Leser wissen lässt.

Als Helen Abitur macht, ist Julius gerade nach Kanada unterwegs. Julius schreibt nur Karten, ansonsten telefoniert er mit ihr. Sie treffen sich fünf Wochen später in einem Hotel in Frankfurt und reden u.a. über Karl Jaspers. Kurz darauf beginnt Helen in München ihr Philosophiestudium. Sie berichtet von ihrer Zeit in München, ihren Begegnungen mit Julius und dessen Gedankenwelt, in die er ihr vertrauensvoll Einblicke gewährt. So sagt er u.a.: "Ein Bankier darf nie die Herrschaft über sich und das Geld verlieren. Wenn er es jemals zulässt, also das Geld oder die Macht von ihm Besitz ergreifen, wird er alles verlieren. Beide, das Geld und die Macht, haben nur einen Sinn, den anderen zu dienen. Sie müssen von einer übergeordneten Idee gelenkt werden." (...) "Es klingt vielleicht ein bisschen pathetisch, oder altmodisch aber so empfinde ich es nun einmal: Ich möchte, dass es den Menschen in diesem Land gut geht. Und dass unser Land in der Welt geachtet wird." (Zitat. S.99).

Nach der Bankenkrise und all den damit verbundenen Ungeheuerlichkeiten mag man kaum glauben, dass ein Bankier wie Julius nichts anderes als die bloße Fiktion einer hervorragenden Schriftstellerin ist. Wer allerdings die Biografie über Alfred Herrhausen gelesen hat, weiß, dass ein Mensch, der wie Julius dachte und handelte, tatsächlich gelebt hat.

Es führt zu weit, im Rahmen der Rezension alle die eingefügten Briefe und die Gespräche der beiden zu analysieren. Julius erweist sich als ein sehr interessierter Zuhörer, den erkenntnistheoretische Fragen bewegten, weil sie nach seiner Auffassung den Sinn für Projektionen in die Zukunft schärften. Jene Art von Logik soll er geschätzt haben, die ihn zu ungewöhnlichen Lösungen brachte. Julius vertrat die Ansicht, dass man mit Vernunft alle Probleme lösen könne und dass sie den Menschen zu diesen habe. Diese Überzeugung nannte er seine philosophische Grundhaltung, (vgl.: S.142).

Die Beziehung zwischen Helen und Julius war nicht nur rein intellektuell. Dass die beiden sich auch seelische und körperlich näher kamen, konnte nicht ausbleiben. Gefallen hat mir, wie dezent die Autorin diese Begegnungen beschreibt und damit die Gefühle der Ehefrau von Julius nicht unnötig verletzt.

War Helen eine Art Madame Pompadour? Die in München lebende Philosophiestudentin besuchte recht oft die Alte Pinakothek, um dort einen fiktiven Gedankenaustausch mit Madame Pompadour zu pflegen. Ein Gemälde von Francois Boucher hängt dort im zweiten Stock. Helen glaubt damals, dass sie Antoinette nicht das Wasser reichen kann, aber sie weiß, dass sie ihr in Vielem nicht unähnlich ist. Auch Antoinette las gern, liebte das Theater, die Musik, die Malerei und auch die Philosophie sowie Politik. Doch Helen ist eine junge Frau ihrer Zeit, mit einem völlig anderen Frauenverständnis als es die Rokoko-Dame einst besaß.

 Besonders interessant fand ich Helens Schilderungen der Schulzeit von Julius in der Nazi-Elite-Schule Feldafing. Hier fügt sie Briefe des Schülers ein, die dokumentieren, dass er ganz im Ton der Zeit schrieb und weist darauf hin, dass die Aktivitäten der Geschwister Scholl ganz offensichtlich damals von ihm nicht zur Kenntnis genommen worden sind. Helen fährt nach Feldafing, recherchiert, schreibt dem toten Bankier einen Brief, sehr wohl erkennend, dass sie in einem wortlosen Raum verschollen ist.

Helen schreibt von ihrer persönlichen Entwicklung, ihrem Umzug nach Berlin, ihrem Leben als junge Frau. Vieles aus diesem Leben war ausgeklammert, wenn sie sich mit Julius traf.

In meinen Augen zählen die beiden zu den großen tragischen Liebenden des letzten Jahrhunderts.

Helen berichtet auch von dem Mord an Julius und ihren damit einhergehenden Recherchen und schließlich von dem, was geblieben ist. Seine Stimme in ihrem Herzen.

Ein packender Roman von intellektuellem Tiefgang. Sehr empfehlenswert.
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