Dieses Blog durchsuchen

Rezension: Danke für die Einladung- Hanns-Josef Ortheil

Dass Romancier Hanns-Josef Ortheil kulinarischen Dingen nicht abgeneigt ist, verbirgt er in seinen Romanen nicht, insofern war ich auch nicht überrascht nun ein neues Buch mit dem Titel "Danke für die Einladung" von ihm zu entdecken. Darin befasst er sich ausgiebig mit dem Thema Gastlichkeit und dem Zauber der Hingabe, die ein guter Gastgeber zu verbreiten vermag.

Eingangs bereits vergisst er keineswegs zu erwähnen, dass auch ein Gast seine Pflichten hat. Eine dieser Pflichten besteht darin, ein kleines Geschenk mitzubringen. Ortheil ist davon überzeugt, dass sein neues Buch ein ideales Gastgeschenk ist. Dieser Meinung schließe ich mich nach der Lektüre gerne an.

Das Buch beinhaltet Geschichten, Erzählungen und Überlegungen rund um die Einladung und ist in sechs Abschnitte unterteilt. Diese tragen die Überschriften: 
Das Gastmahl 
Große Tafel 
Bei Goethe zu Gast 
Ideale des Tafelns 
Das Liebesmahl 
Gastgeberfreuden 

Neben den Überlegungen Hanns-Josef Ortheils, die jeden Abschnitt einleiten, hat man Gelegenheit themenbezogene Texte von Homer, P. Ovidus Naso, Petronius, Theodor Fontane, Thomas Mann, Marcel Proust, di Giuseppe Tomasi di Lampedusa, Caroline Schlegel, Wilhelm Grimm, Friedrich Förster, Carl Holtey, Immanuel Kant, Antonius Anthus, Eugen van Vaerst, Michael Tournier, Julian Barnes, Wäis Kiani, Robert Gernhardt und auch von Ortheil zu lesen.

Der Autor schreibt beispielsweise über die Geburt der frugalen Küche, die auf Philemon und Baucis zurückgeht und durch Schlichtheit besticht. Die Eheleute verzichteten auf Diener, wischten den Tisch mit Minze ab, bevor ihre Gäste kamen und servierten in erster Linie Produkte aus dem Garten. Die beiden waren allerdings wohl eher in der Antike die Ausnahme, denn man verbindet damalige Essgepflogenheiten häufiger mit den opulenten Tafeln eines Trimalchio, die der Schriftsteller Petronius in seinem Text "Das Gastmahl des Trimalchio"(S.23ff) festgehalten hat.

Ortheil erinnert an die bürgerliche, große Festtags-Tafel in seiner Kindheit bei seinen Großeltern, die er als "schwachen Abglanz" der großbürgerlichen Tafeln des neunzehnten Jahrhunderts begreift. Die von ihm näher beschriebene Festtags-Tafel war wohl in den späten 1950er und frühen 1960ern in allen bürgerlichen Familien ähnlich (nichts ging, ohne Markklößchensuppe) und veränderte sich erst allmählich. Reisen in den Süden, aber auch in das Elsass sorgten für eine neue Speisevielfalt, nichs nur wenn Gäste kamen. So meine Bebobachtung.

Sehr schön beschrieben hat Ortheil die Ess-Gepflogenheiten im Hause Goethe in Weimar. Der Dichter hatte nahezu täglich Gäste aus aller Welt und schätzte damals schon die italienische Küche. Mich erstaunt sein Weinkonsum eigentlich nicht, denn er lässt fröhliche Tafelrunden schließen. Seine intellektuelle Leistungsfähigkeit wurde nicht beeinträchtigt. Das hat er hinlänglich dokumentiert. Offenbar brauchte sein Geist den Stoff, um sich kreativ entfalten zu können.

Wilhelm Grimm schreibt über seine Erfahrungen als Gast bei Goethe: "Er war ungemein splendid, Gänseleberpasteten, Hasen und dgl. Gerichte. Er war noch freundlicher, sprach recht viel und invitierte mich immer zum Trinken, indem er an die Bouteille zeigte und leise brummte, was er überhaupt viel thut; es war sein sehr guter Rotwein und er trank fleißig, beßer noch die Frau…",(S. 61)

Ortheil schreibt auch über die neue Wissenschaft, die im 19. Jahrhundert entstand. Man nannte sie "Gastrosophie". Es handelte sich um vernünftige Überlegungen, was man essen und trinken sollte, dabei sollen Immanuel Kants Reflexionen über "die gute Mahlzeit" eine Art Gründungsurkunde dieses Nachdenkens sein, die – und das unterstreicht Ortheil – "zum Glück nicht aus reiner Theorie hervorging, sondern sich vor allem in die Praxis von Kants eigenen Tischgesellschaften anlehnte," (S.67).

Mit großem Interesse habe ich Immanuel Kants Text "Eine gute Mahlzeit in guter Gesellschaft" gelesen, dem ich in vieler Hinsicht zustimme. Ich liebe Tischgespräche und finde sie auch stets sehr belebend.

Hanns- Josef Ortheils Text "Vom Vergnügen, Kutteln zu kochen" sollte man sich nicht entgehen lassen. Sein Schriftstellerkollege Cees Nooteboom kocht übrigens ebenfalls gerne diese gewöhnungsbedürftige Speise, davon schreibt er in einem seiner Texte, soweit ich mich erinnern kann.

Kutteln aß ich erstmals bei Franz Keller im Rheingau und war überrascht wie gut diese schmecken. Sie selbst zuzubereiten, hätte ich unüberwindliche Berührungsängste, ähnlich jenen, wenn ich einen lebenden Krebs ins kochend heiße Wasser setzen sollte. Dann lieber ein Gastmahl a la Philemon und Baucis .

Ein tolles Buch, das ich gerne weiterempfehle.