Dieses Blog durchsuchen

Rezension: Über das Verbrennen von Büchern- Erich Kästner- Der Kanon, Band 4 - Die Deutsche Literatur -Essays

Vor einigen Jahren erwarb ich die fünfbändige Kassette "Der Kanon- Die Deutsche Literatur- Essays", die im Insel-Verlag erschienen ist und insgesamt 255 Essays enthält. Dazu hatte ich damals eine allgemein gehaltene Rezension verfasst, die im Mai 2014 der willkürlichen Textzerstörung auf Amazon gemeinsam mit weiteren 3544 meiner Rezensionen zum Opfer fiel. 

Heute möchte ich damit beginnen, aus dieser Kasette immer mal wieder, einen  Essay zu rezensieren und fange mit Erich Kästners "Über das Verbrennen von Büchern" an. In Zeiten der Digitalisierung ist ein Feuerspektakel übrigens nicht mehr nötig, wenn "Pyrotechniker der Macht" ihr Unwesen treiben.

Kästner beginnt seinen Essay mit dem informativen Satz "Meine Damen und Herren, seit Bücher geschrieben werden, werden Bücher verbrannt" und vergisst auf der Folgeseite auch nicht Heinrich Heines  berühmten Worte zu erwähnen, die zwar den spanischen Autodafés galten, aber zur Prophezeiung wurden: "Dort, wo man die Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ 

Ja, so war und ist  das stets. Es handelt sich um ein fatales Gesetz, dem Zerstörung zugrunde liegt und an dessen Ende verbrannte Erde steht.

Kästner formuliert das so: "Als am 10. Mai 1933 die deutschen Studenten in allen Universitätsstädten unsere Bücher tonnenweise ins Feuer warfen, spürten wir: Hier vollzieht sich Politik, und hier ereignet sich Geschichte. Die Flammen dieser politischen Brandstiftung würden sich nicht löschen lassen. Sie würden weiterzüngeln, um sich fressen, auflodern und Deutschland, wenn nicht ganz Europa in verbrannte Erde verwandeln. Es würde so kommen und es kam so. Es lag in der Unnatur der Sache.“ (S. 90). 

Der  Essayist erwähnt Bücherverbrennungen, die zu allen Zeiten stattfanden, so bei den religiösen Fanatikern Savonarola und Calvin, bei den Puritanern, auch bei den Dominikanern und anderen Meinungsunterdrückern mehr. 

Die Flamme fraßen die Werke von Ovid, auch von Dante von Erasmus, Voltaire und Rousseau, lange bevor 1933 -  initiert von einem Akademiker und späteren Verlagslektor -   der deutsche Geist, der in den Augen dieses Mannes "Ungeist" war,  verbrannt wurde. 

Kästner schreibt die Tat analysierend "Der Neid, der keinen Weg sieht, begibt sich auf den einzigen Ausweg: ins Verbrechen. Wer den Tempel der Artemis nicht bauen kann-  aus gebürtigem Unvermögen, und da er schon in der Sonne schimmert, der ephesische Tempel-, der muss zur Fackel greifen und ihn anzünden.“, (S.88). 

Neid also ist die Ursache für derartige Hassentladungen, die heuzutage digital "sauberer" bewerkstelligt werden können. 

Kästner zitiert Tacitus, der von der Schreckensherrschaft des Kaisers Domitian berichtet"… Während in fünfzehn Jahren… gerade die geistig Lebendigsten durch das Wüten des Führers umkamen, sind wir wenigen… nicht nur die Überlebenden von anderen, sondern auch von uns selber, weil ja mitten aus unserem Leben so viele gestohlen wurden, in denen wir von jungen zu alten Männern geworden sind, … indessen wir zur Stummheit verurteilt waren.“ (S.89)

Kästner nennt Autoren, deren Bücher 1933 verbrannt wurden. Wer sich in deutscher Literatur auskennt, weiß, dass es Bücher sehr kluger,  heute weltweit anerkannter Schriftsteller gewesen sind. Es waren Bücher von Hunderten von Autoren, die dem Terror zum Opfer fielen. Gespeist wurde die Zerstörungmaßnahme von blindem Hass und grenzenlosem Neid.  Schon Salomon wusste: "Es gibt nichts Neues unter Gottes Sonne."

Kästner weiß aus eigener Erfahrung, dass keiner wirklich sagen kann, ob er mutig Widerstand leisten würde, wenn eine solche Zumutung ihm entgegengebracht würde und ist überzeugt, dass  niemand weiß, ob er sich in solchen Fällen  zum Helden eignet. Deshalb kommt er zum Ergebnis "Kein Volk und keine Elite darf die Hände in den Schoß legen und darauf hoffen, dass im Ernstfall, im ernstesten Falle, genügend Helden zur Stelle sein werden.“ (S.95).

Genauso ist es. Wir müssen lernen, achtsam zu sein und in den Anfängen unnachgiebig Grenzen ziehen. Später lodern die Feuer bis  am Ende nur noch verbrannte Erde  bleibt.

Empfehlenswert.

Helga König

Rezension: In der Schule von Athen- Platon und Aristoteles - seid gegrüßt! Klaus Liebers

Prof. Dr. Klaus Liebers ist der Autor der Erzählung "In der Schule von Athen", die den Untertitel "Platon und Aristoteles- seid gegrüßt!"
trägt. Mich machte dieser Titel bereits neugierig, nicht nur weil ich mich mit einigen Texten der beiden genannten Philosophen schon befasst habe, sondern auch weil der Begriff "Schule von Athen" sogleich eine Assoziation zu dem Fresko von Raffael in der "Stanza della Segnatura" des Vatikans herausforderte, zu dem ich mich an anderer Stelle im Rahmen einer Kunstbuchbuchrezension bereits geäußert habe. 

Der Titel dieses Bildes erinnert an die berühmte philosophische Denkschule des antiken Griechenlands, verkörpert von ihren Vorläufern, Hauptvertretern und Nachfolgern. Im Zentrum des Freskos stehen die Philosophen Platon und Aristoteles. 

Die Erzählung ist in acht Kapitel untergliedert, die Leser von Platon- und Aristoteles- Texten bereits im Vorfeld erahnen lassen, worum es geht. 

Prof. Dr. Klaus Liebers, studierter Mathematiker und Physiker, nähert sich dem Thema der Erzählung anders als es vielleicht ein Philosoph oder Romancier täte, gleichwohl nimmt er mit den Protagonisten und Nebenfiguren im Buch viel intensivere Tuchfühlung auf, weil er gekonnt alle Facetten des breiten Denkspektrums der wichtigsten Vertreter der Schule von Athen in verständlicher Sprache zu übermitteln in der Lage ist.

Man erfährt von den gesellschaftlichen Gepflogenheiten zu Zeiten Platons (428/427 v. Chr. in Athen oder Aigina; † 348/347 v. Chr. in Athen) , auch von dessen adeliger Herkunft und dass er etwa im Alter von 20 Jahren den Philosophen Sokrates kennen lernte. Durch ihn wurde er mit Fragen konfrontiert wie etwa "Wie soll ich leben?" oder "Auf welchen Fundamenten kann eine gerechte Staatsordnung entstehen?",  "Welchen Platz nimmt der Einzelne in einem solchen Staat ein?", "Zu welchen Idealen soll die Jugend erzogen werden?" (S.11).

Zwischen den beiden Männer hat sich bekanntermaßen ein Schülerlehrer-Verhältnis entwickelt, damit einhergehend formte Sokrates das Fühlen, Denken und Handeln seines Schülers Platon, (S.12)

Man erfährt von der Verurteilung und vom Todesurteil des Philosophen Sokrates und liest von der zwölf Jahre andauernden Reise Platons in der Folge, auch wohin ihn diese Reise führte. Dabei wird nicht unerwähnt gelassen, dass viele Einzelheiten dieser Reise im Dunkeln bleiben. Berichtet wird von Platons Aufenthalt am Hofe von Syrakus, wo er sich der Gastfreundschaft des Tyrannen Dionysios I. gewiss war. Man erfährt des Weiteren von seinem Aufenthalt in Tarent (Süditalien) bei den Pythagoreern. Diese sollen ihn während seiner Reise am meisten geprägt haben.  Besagter Bund wurde einst von dem Mathematiker Pythagoras gegründet und bestimmte eineinhalb Jahrhunderte vorrangig das wissenschaftliche, religiöse und politische Leben fast aller Städte Unteritaliens. Dabei kannte die Sittenlehre der Pythagoreer nichts Höheres als die Unterordnung des Einzelnen unter das Ganze, (S.23).

Im Rahmen der Erzählung nimmt der Autor den Leser mit in die Gedankenwelt dieses Bundes, schreibt über dessen Harmonievorstellungen, wobei die geometrischen Erkenntnisse der Pythagoreer den zentralen Eckpunkt von Platons künftigem Denken ausmachten. Seinen Vorstellungen gemäß war die Geometrie die wohl einzig wahre Quelle des Wissens. Ihr kam dementsprechend eine besondere Bedeutung zu.

Nach zwölf Jahren kehrte Platon nach Athen zurück. Dort gründete er eine Philosophieschule, in der etwa 40 Schüler studierten, unter ihnen zeitweilig sogar zwei Frauen. Man erfährt Näheres über die Gepflogenheiten in dieser Schule, in der Knabenliebe kein Tabu war und in der Philosophen und Mathematiker als Gäste wertvolle Dienste für den Unterricht leisteten.  In Kenntnis gesetzt wird man über die ersten Fachwissenschaftler der Antike, die die Akademie zur Hochburg der Geometrie machten und liest zudem wie Platon den Unterricht gestaltete: Bevorzugt war Rede und Gegenrede. 

Platon hielt nicht viel von dem Lernen aus Büchern, weil diese bei Fragen keine Antworten geben könnten. Seine eigenen Bücher baute er nicht ohne Grund in Dialogform auf und vermied starre Fachbegriffe.

Man erfährt von speziellen Fragestellungen des Philosophen, so etwa welcher Staat gerecht sei, liest von weiteren Reisen nach Sizilien und dass zu jener Zeit der damals 18 jährige Aristoteles in die Akademie eingetreten sei. Der junge Mann wurde bald darauf der zweite führende Kopf der Schule. 

Man bleibt nicht in Unkenntnis, was nun in der Philosophenschule alles zur Sprache kam. Der Urgrund der Dinge beispielsweise war ein wichtiges Thema und auch, dass für Aristoteles klar war, dass die Welt zeitlich ohne Anfang und ohne Ende sei, weil es ansonsten eine Leere geben müsse, (vgl.: S.63).

Es führt zu weit im Rahmen der Rezension auf alle Nebenfiguren in der Akademie einzugehen. Den Lehrer Empedokles will ich aber erwähnen, der davon überzeugt war, dass die Welt aus vier Elementen aufgebaut sei. Mit seiner Idee der Elemente vermochte er die Jahrtausende überleben, (vgl.: S.76). 

Sehr lesenswert auch das Kapitel  über die Platonischen Ideen. Hier  erinnert der Autor übrigens an das eingangs erwähnte Fresko. Dort verweist Platon mit dem nach oben zeigenden Finger auf die göttlichen Ideen, während Aristoteles seine Handfläche demonstrativ nach unten wendet, weil er damit andeuten möchte, dass die Erkenntnis mit der Beobachtung der Natur auf der Erde beginnt, (vgl.: S.99).

Nicht unerwähnt bleibt auch das Höhlengleichnis und  Platons Vorliebe im Hinblick auf die Kugel als schönsten Körper. Die Welt der Harmonien ist ein Thema und Platons Vorstellung von dem göttlichen Bauplan der Welt. Hier erzählt der Autor wie Platon seine Idee seinen neugierigen Schülern vermittelte.

Platon und seine Liebe zur Mathematik werden begreifbar. Zudem erfährt man auch Wissenswertes zum Leben des Aristoteles, der im Gegensatz zu Platon stets Kontakt zu den Athenern suchte. Für ihn begann mit dem Staunen über die Dinge, die er dann auch untersuchte, sein Annäherungsprozess an die Geheimnisse der Natur. Wissen wollte er nicht zuletzt, weshalb eine Leere undenkbar sei und man hat das Vergnügen mitzuerleben, wie er seinem Publikum diesbezügliche Beweise lieferte.

Zum Schluss hat man die Chance,   die für das Buch benutzten Quellen zu studieren.

Man gewinnt durch die Lektüre der Erzählung nicht  nur einen Überblick über die Gedankenwelt der berühmten Protagonisten,  sondern man hat auch eine Vorstellung davon, wie sich der Unterricht in der Akademie gestaltete. Damit werden die Philosophen greifbarer und treten geradezu lebendig aus dem Fresko heraus.  Das macht das Buch spannend und auch für Leser lesenswert, die sich den antiken Philosophen ansonsten nur sehr zögerlich nähern.

Empfehlenswert.

Sie können das Buch direkt beim Verlag oder besser noch beim Buchhändler in Ihrer Nähe bestellen: ISBN:  9783 844295849-http://www. epubli.de/

Anbei die Website von Prof. Dr. Liebers. 
http://www.uni-potsdam.de/db/physik_didaktik/files/25.7.14_neu_d.pdf

Rezension:Der letzte Tag eines Verurteilten von Hugo. Victor (2006) Taschenbuch (Taschenbuch)

Der französische Schriftsteller Victor Hugo wendet sich in diesem Buch, das 1829 erschienen ist, gegen die Todesstrafe, aber auch gegen die qualvollen Maßnahmen gegenüber den Galeerensträflingen.

Einfühlsam appelliert der Autor an die Mitmenschlichkeit, mit dem Ziel diese Strafen abzuschaffen, indem er ein sehr konkretes Bild von einem zum Tode Verurteilten zeichnet.

Der Leser wird während des Handlungsverlaufs weder über den Namen, noch über die Hintergründe, die zur Verurteilung geführt haben, aufgeklärt, nicht zuletzt, weil Hugo nicht das Unglück eines Einzelnen, sondern das aller zum Tode Verurteilten im Sinn hat, ganz unabhängig von ihrer Herkunft ,ihrer gesellschaftlichen Stellung und auch unabhängig von der Schwere der begangenen Tat.

Der Ich-Erzähler berichtet von seinen Eindrücken, Gedanken und Ängsten während der letzten Tage vor seiner Hinrichtung. Eingekerkert in den Verliesen des damals schon nicht mehr existierenden Schlosses Bicetre, das im 15. Jahrhundert vom Kardinal von Winchester erbaut wurde, der einst Jeanne d`Arc verbrennen ließ, berichtet er von der Enge und Abscheulichkeit der furchteinflößenden Zellen, die wohl eher Löchern für lebendige Tote glichen.

Sein Testament hat der Protagonist zu diesem Zeitpunkt bereits angefertigt, obschon er immer wieder hofft, dass das Urteil aufgehoben wird. An den Wänden entdeckt er Aufzeichnungen von Personen, die vor ihm den Weg zur Guillotine beschreiten mussten. Mörder waren sie allesamt

Der zutiefst verängstigte Todesanwärter beobachtet entsetzt einen Trupp von Menschen, die in Ketten gelegt werden, hört die Hammerschläge als man die Halseisen anbringt, hört das Geschrei der Gequälten.

Es sind Galeerenhäftlinge, die nach Toulon zu den Galeeren gebracht werden; es sind vom Tode Begnadigte, die nun ein Leben lang menschenunwürdige Frondienste auf den Galeeren leisten müssen.

Noch möchte der Ich-Erzähler lieber tausend Tode sterben als ein solches Halseisen tragen. Nachdem seine Nichtigkeitsbeschwerde verworfen wird, heißen die Schritte: Bicetre, die Conciergerie, die Greve und damit einhergehend das Messer der Guillotine als unheilvolles Ergebnis.

Der Gepeinigte spricht aufgewühlt mit den Wachen, dem Gefängnisdirektor, dem Priester, doch als er endgültig erfährt, dass das Urteil vollzogen werden soll, ist seine erste Erschütterung vorbei.  

Nun erinnert er sich an seine Kindheit und Jugend und an den Tag als er "das Paradies in seinem Herzen trug", dem Tag seines ersten Kusses. Als man ihm seine dreijährige Tochter bringt, ist er beinahe wahnsinnig vor Freude und um so niedergeschlagener als er feststellen muss, dass diese ihn nicht mehr erkennt.

Tief erschüttert, jedoch nicht resigniert, bittet er bis zum Schluss um Gnade, in seinen letzten Stunden selbst um den Preis der Galeerenhaft. Er möchte weiterhin die Sonne sehen. Er fühlt sich viel zu jung, um zu sterben.

An Ludwig XVI und an Robespierre erinnert er sich, die vor ihm den Weg zur Guillotine gingen und er denkt an den mechanischen Akt, wenn die schwere Scheide niedersaust, das Fleisch zerreist, Nerven zerfetzt, die Wirbelsäule zerbricht. Haben Menschen das Recht ihren Mitmenschen dieses anzutun?

Victor Hugo antwortet eindeutig... Schon Kinder erlernen den Satz" Was du nicht willst, dass man dir tu`, das füg`auch keinem anderen zu!"Leider wird Erlerntes selten in Erkenntnis transformiert. Daran hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert, auch vielerorts hinsichtlich der Todesstrafe nicht. Hugos Text ist so aktuell, wie ehedem.

Ein sehr empfehlenswertes Buch!

http://www.diogenes.de/

Rezension: Die Wunderübung: Eine Komödie (Gebundene Ausgabe)

Die Wunderübung als Mittel der Verständigung im Turm zu Babel

2006 las ich den ersten Roman von Daniel Glattauer. In "Gut gegen Nordwind" thematisierte der Autor eine Internet-Romanze und zwar so gekonnt, dass dieses Buch zum Bestseller wurde.

2014, jetzt, - die Zeiten von Internet-Romanzen sind offenbar abgekühlt-, nun "Die Wunderübung", eine (schwarze) Komödie, mal wieder brillant geschrieben und ein Thema aufgreifend, das die Phasen lange nach der ersten Verliebtheit in so manchen Partnerschaften skizziert, speziell von solchen sprachlich gut ausgebildeter Menschen, wenn es diesen an psychologischen Kenntnissen und vor allem an Selbstkritik mangelt. Dann werden Beziehungen zu verbalen Schlachtfeldern und es wird gekränkt und verletzt, dass die Schwarte kracht. Dann wird sich an verbal brillant vorgetragener Niedertracht "aufgegeílt" und Stunde um Stunde, Tag um Tag die Liebesbeziehung immer mehr zur Beziehungshölle umfunktioniert, bis man sich schließlich trennt oder einen Beziehungsberater aufsucht.

Letzeres tun die Protagonisten im vorliegenden Buch, beide um die 40, beide akademisch ausgebildet, beide frustriert und bissig, weil die eigenen Erwartungshaltungen vom Partner nicht erfüllt werden, beide sehr gut im Projizieren und im Kränken, bis schließlich die "Wunderübung" greift...

In den nächsten Tagen werde ich ein sehr kluges Buch rezensieren, das mit der vorliegenden Komödie korrespondiert. Es geht darum, sich auf den anderen vollständig einzulassen und den anderen völlig zu akzeptieren, denn nur auf dieser Weise haben Beziehungen wirklich Bestand, nur so kann respektvoll miteinander umgegangen werden, ohne dauernd zu verletzen und zu kränken, nur so ist ein Entkommen aus Beziehungshöllen möglich. Offensichtlich bedarf es in nicht wenigen Beziehungen bestimmter Übungen, hauptsächlich jener, sein Seelenleben und seine Schwächen nicht wie eine keusche Jungfrau ihren entblößten Körper vor dem Gegenüber schamvoll hinter einem Paravent zu verstecken.

Wer stets seine Wünsche und Schwächen auf andere projiziert, wird versuchen, jede neue Beziehungen zu einem neuen Schlachtfeld zu machen. Vermutlich helfen in diesem Fall nur Wunderübungen…

Glattauer gelingt es, die verbalen Abgründe in Beziehungen aufzuzeigen, die so ungemein kränkend sein können. Insofern geht es auch ihm um Verständigung im Turm zu Babel, dem Thema des Jahres 2014, zu dem er einen sehr guten Beitrag leistet.

Empfehlenswert. 

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.


Rezension: Die Frau meines Lebens- Nicolas Barreau

Wenn Ihnen die Frühlingsgefühle mit den Jahren gänzlich abhanden gekommen sind, dürfen Sie sich hier erinnern... 

Vor einigen Monaten habe ich das erste Buch von Nicolas Barreau gelesen und war so begeistert von der Art wie er dort eine Liebesgeschichte erzählt, dass ich mich entschlossen habe, mir auch seinen Roman "Die Frau meines Lebens" zu Gemüte zu führen, der 2007 bereits erschienen ist und nun als Sonderausgabe neu aufgelegt wurde.

Der kleine Roman kommt leichtfüßig daher und ist im Grunde eine geballte Charme-Offensive und zwar genau so wie man sie von einem französischen Romancier in seinen Liebesromanhandlungen erwartet. Insofern wird ein Klischee erfüllt, verstärkt noch dadurch, dass sich die Liebesgeschichte in Paris ereignet. Das tut der Qualität aber keinen Abbruch.

Ein junger Buchhändler verliebt sich unsterblich in eine hübsche Blondine, die er im berühmten Café Flore erstmals sieht, dort aber nur ihren Namen und ihre Telefonnummer erfährt. Die notierte Zahlen kann er durch ein Missgeschick in der Folge nicht mehr entziffern. Eine Tragödie für den unsterblich Verliebten...

Der Roman handelt in erster Linie vom Suchen dieser Schönen, die er vom ersten Augenblick an zu seiner Herzenskönigin gemacht hat. Ob er seine Traumfrau wiederfinden wird?

Mir stellt sich nicht die Frage, ob es solche romantischen Männer im wahren Leben gibt, sondern ich frage mich nur, ob ich den Roman als kitschig abtun soll? Dabei komme ich zu dem Ergebnis, dass er zu klug konzipiert ist, als dass man ihn in die Kitschecke stellen könnte.

Um die Nöte eines Verliebten zu verstehen, muss man selbst einmal verliebt gewesen sein, dann kann man mit Abstand über die Eskapaden von verliebten Menschen schmunzeln und sich über Geschichte wie die vorliegende freuen.

Ideale Lektüre für einen Frühlingssonntagvormittag im Garten. 

Empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.



Rezension:Frühe Störung: Roman (Gebundene Ausgabe)

Der Traum aller Frauen, ein Mann, der immer nur "Mutter, Mutter, Mutter" denken kann.

Der Autor dieses Werks ist Prof. Dr. Hans-Ulrich Treichel. Er lehrt am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig. Gelesen habe ich den Roman, weil mich der elegante, leicht ironische Stil schon nach wenigen Seiten fasziniert hat.

Damit Sie erahnen, um was es in diesem Buch geht, zitiere ich vorab gleich einmal ein paar Sätze. Der Roman beginnt wie folgt:

 "Ich hatte mich auf die Couch gelegt und über meine Mutter geredet. Über diese unablässige Mutter Mutter Mutter in meinem Gehirn. Ich hatte über meine Mutter geredet und der Psychoanalytiker hatte sich alles angehört. Irgendwann habe ich ihn gefragt, ob ihm das nicht auf die Nerven gehe und ob er mich nicht eines Tages aus der Praxis schmeißen werde, weil er mein ständiges Muttergerede nicht mehr aushält." (S.7)

Einhunderzweiundachtzig Seiten später liest man folgenden Schlusssatz: "Ich bin ein altes Kind, das sich vor seiner toten Mutter fürchtet." (S.188).

Ich könnte es mir jetzt einfach machen und zusammenfassend sagen: Jetzt wissen Sie ja, worum es in etwa geht. Ein toller Roman über einen Intellektuellen, der einen ausgereiften Mutterkomplex hat und gerne andere für seine Probleme verantwortlich macht, allen voran seine Mutter. Vielleicht könnte ich noch einen Wunsch anfügen: Liebe Leserinnen, Gott schütze Sie vor solch einem Mann.

Gut, ich füge noch ein paar Sätze an.

Franz, der Ich-Erzähler, berichtet zumeist sehr komisch davon, dass er sich niemals von seiner Mutti, einer keineswegs biestigen Frau, abnabeln konnte. Franz, das alte Kind, hat studiert, später dann einen Reiseführer über die Gegend um Ahrenshoop verfasst. Franz ist sehr intelligent und gebildet, doch das hilft ihm nicht, sich von seiner Mutterstörung zu befreien. Seine "Macke" scheint ihn in vieler Hinsicht zu lähmen, vielleicht aber ist sie auch nur eine Ausrede dafür, nicht "in die Gänge" zu kommen und es sich stattdessen lieber bequem zu machen. Fast scheint es so.

Der Ich-Erzähler versucht durch seinen Reisen, auch dadurch, dass er stets dann, wenn seine kranke Mutter ihn braucht, niemals wirklich präsent ist, vor ihr zu fliehen, quält sich mittels pausenloser Schuldgefühle aufgrund seines Verhaltensmusters, ändert aber nichts und schafft es nicht, loszulassen und erwachsen zu werden.

Nachdem seine Mutter schließlich an Brustkrebs verstorben ist, (eine Metapher ?) ist Franz durch das Erbe materiell abgesichert. Doch was bedeutet dies für ihn? Er bleibt -wie er richtig erkennt- ein Kind. Wie ich finde, ein ziemlich angstbesetztes, narzisstisches, sozusagen ein Albtraum für alle Frauen, egal wie klug ein solcher Mann daherreden kann.

Sehr amüsant. Empfehlenswert.

PS: Ich hüte mich, Franz einen Ödipuskomplex zu unterstellen. Dieser ängstliche Intellektuelle hat eher Angst davor, einen Ödipuskomplex zu haben, weil er vermutlich weiß, dass es einen solchen gibt. 

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.

Rezension: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (Gebundene Ausgabe)

"Ohne schlichte Zuneigung, nicht Sex, sondern Neigung, kann eine Ehe nicht funktionieren.", Begley, S. 164,

Dieser Roman des amerikanischen Schriftstellers Louis Begley handelt von Liebe und Tod, vom Alter, von Freundschaft, von Untreue, Missgunst und Neid.

Der Ich-Erzähler Philipp, ein amerikanischer, in die Jahre gekommener, erfolgreicher Romancier erzählt die Geschichte von zwei Menschen, einer schönen, intelligenten Frau aus der Upper-Class und eines Mannes, ebenfalls gut aussehend und intelligent aus der amerikanischen Mittelschicht, der es aufgrund von Fleiß und Ehrgeiz schaffte, in die Upper-Class aufzusteigen.

Diese beiden Personen haben einst geheiratet und wurden miteinander sehr unglücklich, weil die unterschiedliche Herkunft letztlich eine unüberwindbare Barriere darstellte. Lucy mangelte es an Respekt gegenüber ihrem Mann Thomas, dem sie immer wieder unterstellte, sie als Sprungbrett benutzt zu haben und auf den sie alle Schlechtigkeiten dieser Welt projezierte.

Philipp hatte Lucy jahrelang nicht gesehen, begegnete ihr zufällig. Sein Kontakt zu ihr war abgebrochen. Er traf sich stattdessen mit Thomas, den er vom ersten Augenblick sehr mochte und dessen zweiter Frau, die offenbar besser mit Thomas harmonierte, vermutlich weil sie selbst erfolgreich war. Thomas war allerdings vor einiger Zeit bei einem Unfall gestorben. Er galt zu diesem Zeitpunkt als einer wohlhabendsten Männer der Ostküste und hatte nach der Scheidung von Lucy bis zu seinem Tode den materiellen Hintergrund und die Einflussmöglichkeiten der Familie seiner ersten Frau weit hinter sich gelassen. Das erboste Lucy natürlich umso mehr, weil ihre Argumentation dadurch nicht glaubhafter wurde.

Lucy, eine einst offenbar lebenslustige, aufgeschlossene Frau hatte sich im Laufe der Zeit in eine biestige, unerträglich neidische Alte verwandelt. Philipp ist entsetzt als er sie wiedertrifft. Unfähig darüber nachzudenken, wo ihr Anteil an Schuld am Bruch der Beziehung zu ihrem Gatten liegt, die sie in den Gesprächen mit Philipp immer wieder beschäftigt, erkennt der Leser Lucys eigentliches Problem. Sie ist "degeneriert", unfähig sich Aufgaben zu stellen und diese selbstständig zu lösen, ein verwöhntes Gör reicher Eltern, lebensuntüchtig, neidisch und missgünstig, weil sie es trotz ihrer Intelligenz zu nichts gebracht hat und selbst als alternde Frau noch immer am Tropf der Eltern hängt. Sie hat einfach keinen Biss.

Ihr gesamtes Leben bestand aus Gesellschaftstrinkerei und Vögeln. Dass dies nicht zufrieden stellen kann, ist klar. Bei allem hat Lucy einen unsympathischen machenden Dünkel, der bekanntermaßen immer ein Schutzschild für Menschen darstellt, die es selbst zu nichts bringen und sich auf den Lorbeeren der Eltern, des Ehemanns oder sonst wem ausruhen.

Einen Klatschroman kann ich in diesem Werk Begleys nicht erkennen, wohl eher eine subtile Analyse über Beziehungsprobleme, die dann entstehen, wenn man sich unterschiedliche Verhaltensmuster in unterschiedlichen Gesellschaftsschichten nicht klar macht und blind solche Verbindungen eingeht.

Erinnert hat mich die Thematik an den großen Gatsby, der mit einer ähnlichen Göre Schiffbruch erlitten hat.

Sehr lesenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen