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Rezension: Alma- Dagmar Fohl- Gmeiner

Dagmar Fohl, die Verfasserin dieses sehr berührenden Romans hat Geschichte und Romanistik in Hamburg studiert und als Historikerin sowie Kulturmanagerin gearbeitet. Heute lebt Fohl als freie Autorin in der Hanse-Stadt. Dort schreibt sie Romane über Menschen in Grenzsituationen. 

Das Vorwort zu diesem Buch stammt von Ester Bejarano. Sie war einst Sängerin und Akkordeonistin des Mädchenorchesters von Ausschwitz und ist heute Vorsitzende des Auschwitz-Komitees. Bejarano beginnt ihr Vorwort mit dem Satz  "Wir erleben weltweit eine Zeit der Fluchtbewegungen" und beendet es mit dem Wunsch "Möge der Roman etwas bewirken in den Zeiten zunehmender Entmenschlichung“. 

Dazwischen dann liest man Reflektionen der Gegenwart und der Vergangenheit und wird neugierig auf diesen Roman, dessen Titel zwar ein Frauenname ist, der sich inhaltlich aber mit der Lebensgeschichte des assimilierten Juden und Cellisten Aaron Stern befasst.

Dessen Vater betreibt in der 2. Generation einen Musikhandel.  Aaron berichtet zunächst von seinen Eindrücken in der NS-Zeit als Schüler nach dem Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze und wie damals der Hass seiner Mitschüler und einiger Lehrer auf Juden und damit auch auf ihn wuchs. Er erzählt wie er allmählich immer mehr ausgegrenzt wurde, nach der Obertertia das Gymnasium verließ und bei seinem Vater eine Lehre als Musikalienhändler begann. 

Aaron berichtet von den Schikanen der Nazis in den Jahren vor dem 2. Weltkrieg, auch wie sein Vater misshandelt wurde und eine schwere Herzattacke erlitt, woraufhin Aaron 1937 im Alter von 20 Jahren den Musikhandel vollständig übernahm. Zu diesem Zeitpunkt lernt er Leah kennen. Sie ist drei Jahre älter als er.  Die beiden verlieben sich ineinander Als Leah schwanger wird, beschließen sie Deutschland zu verlassen.  Ihr Vorhaben führt sie nach großen Schwierigkeiten bis an die Küste Kubas. Die zu früh geborene, schwache Tochter haben sie schweren Herzens in einer deutschen Familie zurückgelassen. Eine falsche Geburtsurkunde soll die kleine Alma dort schützen. 

Aaron schreibt von den traurigen Begebenheiten und den Ängsten der Menschen auf dem Schiff, nicht zuletzt als man den Passagieren dort die Einreise verweigert. Man nimmt Anteil an der leidvollen  Odyssee von Aaron und Leah,  die im Konzentrationslager Auschwitz endet. 

Aaron überlebt die Zeit dort und auch  jene in Bergen-Belsen, dem Ort des Grauens, dessen Leichenberge zu Kriegsende die Welt erschütterten.  Auch darüber schreibt Aaron, für den die KZ-Tortur mit Verlust von allem, was ihm etwas bedeutet hat, endet. Aaron ist  nun Mitte 20. 

Nach 1945 erlebt Aaron weiterhin viel Ungutes. Hierzu gehört nicht zuletzt auch das Verhalten der Deutschen, die von all der Entmenschlichung nichts gewusst haben wollten.  Jetzt sucht der Vater seine Tochter, hört von ihrem Tod in der Ostsee,  ist untröstlich, doch dann kommt alles anders…. 

Musik  ist das versöhnende Element und  das Sinnstiftende, das über sinnentleerte Zeiten trägt.

Der Roman ist sehr flüssig und packend geschrieben. Dabei sind Figuren glaubhaft charakterisiert und der historische Hintergrund schonungslos ausgelotet. Man fühlt den Schmerz Aarons, begreift jene KZ-Häftlinge, die aufgrund ihrer Hoffnungslosigkeit Suizid begingen und stellt sich erneut die Frage, wie diese perverse  Entmenschlichung damals überhaupt möglich werden konnte und ob die Gefahr besteht, dass  ein solches Unrecht sich in Europa erneut zutragen könnte?

 "Alma" ist ein Roman, den ich allen wärmstens ans  Herz lege. Er ist ein wichtiges Dokument, das wachrüttelt und uns bewusst macht, in welchen Zeiten wir leben aber auch wogegen wir uns aussprechen müssen:  Es ist der wachsende Rechtsradikalismus, der ohne Zweifel erneut ins Verhängnis führen kann. 

Verschenken Sie das Buch möglichst oft. Es schafft Bewusstsein. Dies  ist derzeit bitter  notwendig.


Sehr empfehlenswert 

Helga König

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